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Saturn. Schwarze Bilder der Familie Goya: Roman (German Edition)

Saturn. Schwarze Bilder der Familie Goya: Roman (German Edition)

Titel: Saturn. Schwarze Bilder der Familie Goya: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacek Dehnel
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müssen, sie hätten sie selbst gespannt, vorgeleimt, grundiert und noch glattpoliert, mit Handkuss. In welcher Größe auch immer, von ganz kleinen bis zu solchen, die größer wären als diese langen, leeren Friese, die sich an beiden Wänden des Salons entlangziehen. Aber ich wollte wohl lieber den feinen Perkal versauen, den meine Schwiegertochter ausgesucht hat. Ich wollte es lieber hier tun, wo der Alte seine Gäste empfing, wo ich so viele Abende und Kupfermünzen verspielte – denn wir haben nie um mehr als ein paar Maravedis gespielt – und wo ich zusehen musste, wie die Weiss, diese Schlange, sich um den Alten wand, um soviel wie möglich aus ihm herauszupressen. Und jetzt werden sie hierherkommen – die einen, die nicht mehr leben, die mit dem Körper keinen Zugang mehr haben, aber mit dem Geist ganz scharf darauf sind, und die anderen, die mit Körper und Geist hier eintreten, um etwas Frisches zu essen und ein bisschen zu musizieren, Karten zu spielen, warum auch nicht, und etwas zu trinken, denn auch trinken muss der Mensch. Und sie werden nicht an irgendein in der Ecke hängendes Bildchen herantreten und auch nicht an ein großes Bild, das über die ganze Wand geht, und irgendetwas murmeln; nein, sie werden sich ins Innere des Bildes setzen. Schluss mit dem Gefummel – da Mariano darauf bestanden hat, dieses gewöhnliche Haus in einen Palast zu verwandeln, soll es auch ein richtiger Palast sein, bis ins Letzte, wie bei den Herzögen von Osuna, wie bei der Alba, wie in La Granja. Mit Musik kenne ich mich vielleicht nicht aus, aber einen schönen Streich kann euch der alte Javier wohl noch spielen.
    Und so sitze ich hier und rühre mich nicht vom Fleck. Ich schnuppere den Geruch des trocknenden Putzes, der wie die feuchte Erde riecht, in der sich Vater schon lange zersetzt hat, zusammen mit seiner Franziskanerkutte und dem kleinen Kreuz aus Ebenholz, das Gumersinda ihm zwischen die steifen Finger steckte, zusammen mit den Perlen des Rosenkranzes – und ich betrachte die Wände. Diejenigen, die ich zuerst verputzt habe, leuchten weiß; die grauen Flecken und feuchten Stellen sind verschwunden, wie bei einem Knochen, ausgebrannt von der im Zenit stehenden Sonne; diejenigen, an denen ich gerade gearbeitet habe, sind nur glatte, graue Flächen in Gipsrahmen. Die interessantesten sind die von gestern: als wäre auf sie schon etwas gemalt worden, aber wieder verblasst. Oder als wären sie geweißt worden, um peinliche Szenen zu verdecken, abstoßende Szenen, die einen schaudern und erbrechen lassen. Zum Beispiel einen grausamen, tauben Vater, der mit Schimpfwörtern um sich wirft, über deren Abscheulichkeit er sich vielleicht gar nicht im Klaren ist, weil er sie nicht hören kann, und einen geduckten, zusammengekauerten Sohn. Dieser Fleck dort – ist das nicht der herrliche Kopf eines Jungen? Zwischen die Schultern gepresst?

Mariano spricht
    Es ist ein Brief von Mutter gekommen, Vater habe sich in Großvaters Haus ans Renovieren gemacht, angeblich soll er den Salon im Parterre gestrichen haben – soll er ruhig streichen, Hauptsache es wird hell und angenehm. Aber meines Erachtens sollte er sich lieber auf den Garten konzentrieren; das Spalier der Pappeln verlängern, den Bach regulieren, damit er wie früher das ganze Gebiet bewässern kann; vielleicht einen malerischen englischen Park anlegen, der sanft zum Fluss hin abfällt? Man könnte das Nachbargrundstück kaufen, es dem Erdboden gleichmachen oder dort ein mittelalterliches Schlösschen errichten; in Frankreich ist das jetzt sehr modern. Der Salon war eben, wie er war, was will man von der Provinz erwarten, hier hätte man uns ausgelacht für dieses Perkal-Tapetchen; Vorhänge, Bezüge, Muster – in Madrid hat nicht einmal ein Fürst, was in Paris jeder Bankier besitzt. Aber die Preise sind auch gesalzen. Ach, in Madrid ein Haus im Pariser Stil einrichten! Und die Quinta del Sordo wie eines dieser Vorstadtschlösschen. Ein wenig umbauen, diesen hässlichen Backstein verdecken, das Ganze um ein Dachgeschoss oder eine Mansarde aufstocken und vielleicht noch einen Flügel anbauen, damit es gleichmäßiger aussieht? Und von hier die Möbel mitnehmen, die Vorhänge, alles, alles, bis zu den Ständern für den Kamin, bis zu den Salzfässchen, das wäre was!
    Halb so wild, wenn er sich im Salon austobt; schlimmer wäre, wenn er sich im Obergeschoss zu schaffen machen und – Gott behüte – anordnen würde, Felipe solle die Instrumente wegbringen.

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