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Saturn. Schwarze Bilder der Familie Goya: Roman (German Edition)

Saturn. Schwarze Bilder der Familie Goya: Roman (German Edition)

Titel: Saturn. Schwarze Bilder der Familie Goya: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacek Dehnel
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herum, von Felipe irgendwohin geschmissen … Entsetzt eilte ich ins Obergeschoss – zum Glück hatte sich weder die Trantüte noch dieser Holzkopf getraut, die Instrumente anzurühren und zu verrücken; sie hatten sie nur mit Möbeln umstellt wie mit einer Palisade und alles mit Tüchern bedeckt. Ich rief Felipe zu Hilfe, und wir stellten vorsichtig, behutsam die Möbel wieder zurück, so dass weder die Bratschen noch die Geigen beschädigt wurden. Dann zog ich die Instrumente mit größter Vorsicht unter dem Flügel hervor, staubte sie ab, legte sie in die Futterale und trug sie, weil ich fürchtete, Felipe könne Schaden anrichten, persönlich ins Zimmer nebenan, darauf achtend, dass ich mit den Füßen nicht in einen Zuber oder Topf trat; ich schloss das Zimmer ab, befestigte den Schlüssel an der Kette meiner Uhr und hüte ihn seither wie einen Schatz. Mit dem Flügel war leider nichts zu machen, er musste mitten in diesem verrückten Durcheinander stehenbleiben – ich vergewisserte mich nur, dass er so zugedeckt war, dass weder Staub noch Farbe eindringen oder die Politur beschmutzen konnten, und kehrte, verschwitzt und etwas verärgert, aber auch ein wenig beruhigt, nach Madrid zurück. Dort bekam ich noch einiges von Concepción zu hören, die mich auszufragen begann, was genau denn Vater übermalt habe. Als sie erfuhr, es sei ihre geliebte goldene Perkaltapete, die sie vor der Hochzeit ausgesucht hatte, bekam sie einen hysterischen Anfall und verlangte, ich solle noch am selben Abend in die Quinta del Sordo zurückfahren und – wie sie sich ausdrückte – meinem bescheuerten Papi sagen, die Wände könne er bei sich versauen, aber nicht in dem Haus, das ich von Großvater bekommen hätte. Ich wand mich wie ein Aal, um ihr klarzumachen, es sei schon zu spät für eine weitere Fahrt aufs Land; mit Mühe und Not gelang es mir, sie zu überzeugen, aber noch am nächsten Tag lag sie mir in den Ohren, ich solle fahren und »die Sache mit dem Dicken ein für alle Mal erledigen«. Aber dazu habe ich weder die Zeit noch die Nerven. Letzten Endes tut er mir auch irgendwie leid. Er läuft durch die beiden Zimmer oder die Treppe rauf und runter und malt irgendwelche Bäumchen, Büschchen. Finster sieht das aus, düster, geschmacklos, hier ein Felsen, da ein Wölkchen, so einen Hintergrund hat Großvater seinen nichtsnutzigen Schülern anvertraut, wenn er es eilig hatte, ein Bild fertigzukriegen. Und Vater sieht mit seinem Mopsgesicht auf zu mir und sagt: »Schau, Marianito, wie schön das wird, sogar Concepción wird sich freuen … Stell dir vor, ihr kommt mit Freunden zum Musizieren, und statt diesen ganzen Tapeten werdet ihr lauter hübsche Dinge haben, auf allen Seiten Aussichten, als gäbe es doppelt, dreimal so viele Fenster und als könne man durch alle den Manzanares sehen, und Wäscherinnen am Fluss, Bäume … Die Landluft, Ruhe, ein kühler Wind, wie angenehm wird es sein, in solchen Räumen zu musizieren, meinst du nicht? Wunderbar. Ihr kommt aus der Stadt, aus dem Lärm, dem Schmutz, dem ganzen Getöse, und hier« – er macht eine Bewegung wie eine beleibte Ballerina im Malerkittel – »die reinste Idylle.« – »Gut, gut«, sagte ich, »malt ruhig weiter, Vater.«

Javier spricht
    Als Ganzes ist es noch unklar. Ich weiß, dass es das immer noch nicht ist. Aber als Mariano hier war, schien er begeistert zu sein von dem, was er sah, von dem, was schon zu sehen ist. Der Reichtum an Farben, an Tageszeiten – ich denke, auch er wird begreifen, was für eine Freude es sein wird, aus der Stadt hierherzukommen und inmitten dieser heiteren Ansichten auf den Instrumenten zu spielen; das echte spanische Landleben, der Geruch von erhitztem Stein, in der Ferne ein Berg, die Stadt unter einer Gewitterwolke, ein Bauer, der unter einem schiefen Baum einen Volkstanz tanzt. Aber das ist noch nicht alles, das ist es noch nicht ganz – manche Rahmen sind noch völlig leer oder nur mit einer kleinen Zeichnung bedeckt, andere sind randvoll. Ich bringe es nicht fertig, jedes der Bilder einzeln, für sich zu malen, im Übrigen geht das oft auch gar nicht, die Farbe muss Zeit zum Trocknen haben, und so laufe ich von einer Wand zur anderen, vom Parterre ins Obergeschoss, renne die Treppe hinauf, unersättlich. Ich weiß nicht, womit ich anfangen soll, was auf später verschieben – und das sieht man mir sicher an, denn als Gumersinda aus Madrid hierherkam, war sie ernsthaft beunruhigt, ob ich wirklich gesund sei, ob sie

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