Saturn. Schwarze Bilder der Familie Goya: Roman (German Edition)
das stimmt nicht …« – und dann dieses Stolpern auf dem glatten Boden.
Geige, Violoncello und Klavier, wieviel edle Einfachheit liegt darin – dieser schöne zweite Teil, den wir gerade lernen. Concepción sagt, sie spüre beim Spielen einen seltsamen Strom, als tauchte sie die Hände in einen Mesmerschen Bottich. Don Rodrigo lacht über sie, aber auch er hat, wenn er mit dem Bogen über die Saiten streicht, einen leidenden Gesichtsausdruck. Draußen ist es schon dunkel, an den Notenständern drei Leuchter, man hört das kleinste Geräusch. Zuerst das Pochen des Klaviers, Concepción. Dann Don Rodrigo auf dem Cello: tam tam tataaa-dam, tara ta-ra taaam, tata-daaam … Als klopfte etwas an unser Leben, an mein Leben. Und könnte nicht herein. Aber gleich kommt die Geige – ich hebe den Bogen und warte auf meinen Takt.
XXVIII
Javier spricht
Erst nachdem ich drei Tage lang geduldig gearbeitet und alle Flächen zwischen Türen und Fenstern mit Putz bedeckt, erst als ich diesen feinsten goldenen Perkal geweißt hatte, auf dem meine Schwiegertochter damals bestand, begann ich zu überlegen, wozu das alles gut sein sollte. Hätte ich nicht mit einem ganz gewöhnlichen Bild anfangen können, einen Fuß auf anderthalb? Völlig erschöpft saß ich auf dem mit einem alten Lappen bedeckten Hocker, zwischen all den Möbeln, die bisher eine gewisse, im Grunde unantastbare Einheit zu bilden schienen: der lange Tisch und die zwölf mit grünem Damast bezogenen Stühle, die Ecktischchen aus Mahagoni mit den Marmorplatten, der Sekretär, der immer an einer der längeren Wände stand … Seit der Dachs seinen Bau hierher verlegt hatte, hatten sie ihren festen Platz, immer trennte sie die gleiche Entfernung, wie die Punkte auf einer Karte; doch es sollte sich herausstellen, dass man dieses Imperium mit nur geringer Anstrengung an einem Nachmittag zerstören konnte, dass man dem ganzen Gerümpel – das heißt, den Lehnen, Platten und Bekrönungen – einen Haufen alter Lappen überwerfen und es mit ganz anderen Augen betrachten konnte. Da war plötzlich eine Herde von Bettlern, die sich am Tag der Kirchweih nach San Antonio de la Florida schleppen, im blassen Morgenlicht. (Die Sonne geht unter und steht schon tief, ihre langen Streifen und die langen Schatten durchschneiden das ganze Zimmer; es ist ein Leichtes, sich vorzustellen, dass gerade die Dämmerung anbricht, nur von der anderen Seite.) Sie zittern geradezu in Erwartung eines Almosens; der kleine Kartentisch ist einer dieser beinlosen Veteranen, der mit einem niedrigen Rollstuhl fährt; der Sekretär ist ein blinder Fettsack, geführt vom Schirm des Kamins, einem hageren Zehnjährigen, den er schon in seinen Beruf einarbeitet. Ein ungeordnetes Häufchen, das zur Kirchentreppe strebt und, begeistert von dem dunklen, orangefarbenen Licht, das über den Häusern leuchtet, stehengeblieben ist und sich jetzt in den Strahlen wärmt, denn wenn es auch Juni ist, so sind die Nächte doch manchmal noch kalt. Oder eine Familie, die vor den Franzosen aus Saragossa flieht. Das Sofa ist der Wagen mit den Resten ihrer Habe, geplündert von den Soldaten; das Pferd wurde unterwegs erschossen, also ziehen die Deichsel die zwei kräftigen Söhne (das ist der Sekretär – sie sind so nah beieinander, dass sie verschmelzen), hinten ein paar Stühle, die jüngeren Kinder, hagere Dinger, die Bündel schleppen, und eine Alte, eine Alte muss noch her. Mit einem Buckel. So, da stellen wir den Hocker auf den Kartentisch und bedecken ihn wieder mit dem Lappen. Und hinter dem Hügel des Tisches stehen, noch unsichtbar, Soldaten, die die ganze Familie abschlachten werden, in dem orangeroten Schein, der über der brennenden Stadt hängt.
Was so sicher schien, die feierliche Ordnung des Salons, steht verzweifelt vor mir und stöhnt. Stell uns wieder an die Wände. Um den Tisch herum. In die Ecke. In die von vorher, in keine andere. Aber es gibt kein Zurück zu den alten Ecken, Javier macht einen kleinen Umsturz.
Ich hätte eine normale Leinwand grundieren können. Oder ein Stück Messingblech, auch Kupferplatten waren noch da vom Alten; ich hätte auch eine der Platten bemalen können, in die er die Disparates geritzt hat, aber die behält man besser noch eine Weile, macht Abzüge und verkauft sie. Ich werde nicht wie Rosario das Geld zum Fenster hinauswerfen. Ich hätte, warum auch nicht, bei Don Millares eine Leinwand von erster Qualität bestellen können, da hätte ich gar nichts machen
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