Saturn. Schwarze Bilder der Familie Goya: Roman (German Edition)
Oder wenn er das selbst, der Fettwanst, in Angriff nehmen und mit seinen Wurstfingern die Geige von Guarneri und die Viola von Ortega anfassen würde – man weiß ja nie, was der Trantüte in den Sinn kommt. Da muss man aufpassen, da muss man unbedingt aufpassen.
Javier spricht
Ich saß den ganzen Abend da, und nichts kam mir in den Sinn, also habe ich mich ans Verputzen der Tapeten im großen Zimmer im Obergeschoss gemacht; früher waren dort wunderschöne, von großen Platten abgezogene Tapeten aus der königlichen Manufaktur zu sehen, lauter Jagdszenen und Landschaften – eine der vielen Extravaganzen, die sich Mariano anlässlich der Hochzeit erlaubte; er selbst jagte selten und eher mäßig, aber er hatte seinen Großvater in Erinnerung, der zwar keine guten Augen hatte, dem die Hand zitterte, der aber trotzdem alle paar Tage »ein bisschen ballern« ging, um »nicht aus der Übung zu kommen« – und anstatt selbst in die Fußstapfen des Alten zu treten, auf Hasen zu lauern und vorbeizuschießen, kaufte er eine Tapete mit einem Jäger, der den Hasen von der gegenüberliegenden Ecke des Zimmers erlegte. Aber Concepción fand die Tapete schrecklich und kaufte eine billige englische, ein scheußliches Ding, mit der Walze gedruckt. Braune Trauben in einem Gitter. Große, schmutzig grüne Blätter. Kann man sich etwas Hässlicheres vorstellen?
Marianos Instrumente habe ich lieber nicht angerührt; ich umstellte sie nur, wie sie waren, mit Stühlen und anderen Möbeln, so wie Napoleon bei den Pyramiden die Esel und Gelehrten, und deckte alles zusammen ab; der Geräteberg der Familie Goya, ein großer, ovaler Berg – Moos hat die Geigen und Stühle überwuchert, der Wind Sand und Erde in den Kasten des Flügels geweht und dort üppige Pflanzen gesät, die Zeit hat das Holz vermodern und das Metall rosten lassen. Ich sehe, in hundert Jahren wird keine Spur mehr von uns dasein, nur ein Häufchen Steine. Der in der Sonne getrocknete Backstein wird zu feinem Staub zerbröseln; vielleicht werden nur die Überreste des Klosters, die Mariano hierherbringen ließ, um eine romantische Ruine zu errichten, in etwas besserem Zustand sein, und ein Forscher wird sich den Kopf zerbrechen, was für eine schöne Abtei einst anstelle dieses Moderhaufens stand.
Wie auch immer, ich habe jetzt fünfzehn leere Felder – unten sechs, vier kleinere zwei größere, oben neun, vier größere, vier kleinere, und eine winzige Supraporte auf der Seite zum Treppenhaus. Alle leer, alle, die grauen und die weißen, die feuchten und die trockenen. Und immer noch keine Idee.
Nichts Scheußliches, nichts Abstoßendes. Keines der Bilder, die in schwarzen Schichten in meinem Kopf liegen, kein Blut, kein zahnloses Maul, keine Dämonen, Soldaten, keines der Dinge, mit denen der alte Kater mich jahrelang vergiftet hat, die er mir durch die Augen ins Hirn träufelte. Keine Garotte, keine französischen Soldaten, die sich schnell, krampfhaft zwischen weißen Schenkeln bewegen (das Gesicht – verdeckt vom zerrissenen Rock – ist nicht zu sehen), keine Stierhörner, die das weiche Gewebe, die empfindlichen Schichten eines Körpers durchstoßen; nichts von alldem.
Etwas Angenehmes. Eine Landschaft. Berge, ein sich silbern windender Fluss, zusammengehalten von einer steinernen Brücke. Bäume, vom Wind bewegt. Viel sattes Grün (ich werde Felipe in den Laden schicken müssen, eine größere Portion grünen Ton holen) – manchmal vielleicht eine Gestalt; ein kleiner Hirte, verloren in der weiten Landschaft, ein Bauer, der auf einem Dorffest tanzt, ein Reisender auf einem Muli, vielleicht ein Pfarrer mit Brevier, vielleicht ein kleiner Händler, der entsetzt seinen Beutel festhält? Nein, kein Entsetzen. Einfach ein Händler. Auf einem ganz gewöhnlichen Muli. Ja. Ein Pfarrer, ein Brevier. Drei Brückenpfeiler und die silberne Biegung des Flusses.
Mariano spricht
Die Trantüte wurde langsam wunderlich. Das Alter. Kurz nach unserer Rückkehr aus Paris hat mich Concepción in die Quinta del Sordo geschickt, ich solle nachsehen, was mit den Instrumenten los sei; im Übrigen fürchtete ich selbst auch um sie. Ich fahre vor, schon an der Tür ist ein fürchterliches Chaos, im Salon und im Musikzimmer alles verstellt, auf einen Haufen geworfen, die Schuhe verfangen sich in den Lappen, mit denen der ganze Fußboden entlang der Wände ausgelegt ist; in den Gängen und auf den Treppen liegen alle möglichen Züberchen, Säcke, Stöcke zum Mischen von Farben
Weitere Kostenlose Bücher