Satzfetzen: Kriminalroman: Ein Zürich-Krimi
Sonne war schon aufgegangen, der Himmel war blau über dem Hochnebelfeld, das weit unter ihm lag und das Tal und den See verdeckte. Er schaute einige Minuten auf die gegenüberliegenden Berge, lächelte, dann stieg er die steile schmale Treppe hinunter in den unteren Stock des kleinen Chalets. Er ging ins Badezimmer, duschte und zog sich an. Auf dem Glasregal unter dem Spiegel lag ein Lippenstift. Legler nahm ihn in die Hand und legte ihn wieder hin. Er ging in die Küchennische und machte sich Frühstück. Nahm zwei Tassen aus dem Schrank und stellte dann eine wieder zurück. Bevor er zu essen anfing, faltete er die Hände und murmelte ein Gebet. Aus dem Radio klang klassische Musik. Nach dem Frühstück griff er zur Bibel und las ein paar Minuten darin. Er stellte das Frühstücksgeschirr in die Küchennische, stellte Milch und Butter in den Kühlschrank, legte das Brot in die Brotbüchse und wischte den Esstisch mit einem Lappen sauber. Auf dem Tisch lag sein Handy, ausgeschaltet. Er nahm es auf, betrachtete es, als ob er überlegte, es einzuschalten, dann legte er es wieder ab. Er stellte die Musik lauter. Aus dem Putzschrank nahm er ein paar Reinigungsmittel, alte Lappen, füllte einen Putzeimer mit heißem Wasser und trat vors Haus. Dort stand ein schmutzverklebtes Mountainbike, das er gründlich zu waschen begann. Ein zweites Mountainbike stand da, etwas kleiner und weniger schmutzig. Er wusch auch dieses, langsam und sorgfältig. Als er fertig war, betrachtete er es lange und schob es unter das Vordach. Danach setzte er sich, in eine warme Jacke gehüllt, mit einem Buch auf die Bank vor dem Chalet, die von fahlem Sonnenlicht beschienen wurde, und las. Wanderer gingen vorbei, man grüßte sich. Mittags ging er wieder ins Haus, briet sich in der Küche ein paar Spiegeleier, die er nach einem kurzen Gebet aß. Er stieg wieder in den oberen Stock, öffnete einen Schrank, nahm Frauenkleider heraus, eine Strickjacke, einige T-Shirts, zwei Pyjamas, etwas Unterwäsche, die er zusammenfaltete und in einem großen Rucksack verstaute. Er wusch in der Küche das Geschirr ab, nahm wenige Vorräte aus dem Kühlschrank und legte sie in den Rucksack. Dann verschloss er die Fensterläden und die Haustür und machte sich auf den Weg zur Luftseilbahn.
»Was hast du getan?« Valeries Gesicht war eine Mischung aus Ungläubigkeit und Entsetzen. Beat zog es das Herz zusammen.
»Es ist irgendwie passiert«, murmelte er.
»So etwas passiert doch nicht einfach?« Ihre Stimmung schlug in Wut um. »Das passiert nicht einfach, das passiert nur, wenn man mitmacht, wenn man es will.« Sie griff nach dem Glas Cola, das vor ihr stand, und schüttete es ihm ins Gesicht. Er zuckte zusammen, wischte sich das Gesicht ab.
»Valerie«, sagte er.
»Was heißt hier Valerie?«, schrie sie. Sie packte die noch fast volle Colaflasche und schmetterte sie an die Wand. Die Flasche zerbrach, Scherben überall, Cola überall, bräunliche, nasse Flecken an der Wand, Colabäche ergossen sich über den Fußboden. Der Hund, der ein paar Spritzer abbekommen hatte, stand auf und verzog sich in eine andere Ecke. Beat stand auf, ging hinaus, holte Besen und Putzlappen und begann aufzuwischen.
»Warum hast du das getan? Warum?«, schrie Valerie ihn an. »Du hast alles kaputt gemacht!«
»Lass uns ruhig reden«, bat er, während er die größeren Scherben auf die Kehrichtschaufel legte. Dabei schnitt er sich, Blut quoll aus einem Finger, mit einem unterdrückten Fluch fischte er ein Taschentuch aus der Jeanstasche.
»Ruhig reden? Wie bitte? Was meinst du denn mit ruhig reden?« Ihre Stimme wurde noch lauter. Beat hatte Angst vor ihr.
»Sollen wir etwa ›wie erwachsene Leute‹ darüber reden?« Sie wurde weiß. »Pass auf, was du sagst, pass bloß auf!« Sie zitterte.
Er kniete auf dem Boden, wischte die Flüssigkeit auf, sah zu ihr hoch. Ihr verdammtes Temperament, dachte er. Damit habe ich rechnen müssen. »Lass es mich dir erklären. Es hat nichts zu bedeuten, es bedeutet mir nichts, wirklich.«
»Warum hast du es dann getan? Und warum sagst du es mir?«
Das verwirrte ihn. »Ich bin nicht auf die Idee gekommen, es dir nicht zu sagen«, stotterte er, darauf gefasst, dass ihm gleich wieder etwas um die Ohren fliegen würde. Wenn sie mich jetzt umbringt, ging es ihm durch den Kopf, kriegt sie mildernde Umstände, weil die Tat im Affekt geschah. Seltsamerweise schien seine Antwort sie etwas zu beruhigen.
Sie waren bei Valerie zu Hause. Als Beat
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