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Satzfetzen: Kriminalroman: Ein Zürich-Krimi

Satzfetzen: Kriminalroman: Ein Zürich-Krimi

Titel: Satzfetzen: Kriminalroman: Ein Zürich-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Morf
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war?
    »Hallo, Anikó.« Sein Gruß war etwas gezwungen. Er war jetzt wirklich nicht in der Stimmung für Small Talk und wollte keinesfalls, dass sie etwas von seinem Zustand mitbekam. Hoffentlich verabschiedete sie sich nach ein paar Sätzen wieder. Sonst würde er eine Verabredung vorschützen. Er schob sich den letzten Bissen des Käseküchleins in den Mund und nahm einen großen Schluck Bier. Es sah nicht so aus, als ob sie gleich weitergehen würde. Sie lehnte sich an die Theke und lächelte ihn an.
    »Es freut mich, dich wieder einmal zu treffen.« Sie bestellte ein Bier. »Ich war im Kino. Bist du im Dienst? Du ermittelst in den beiden Mordfällen im Parlament, nicht wahr?«
    Aha. Offenbar hatte sie nicht vor, ihm vorzuwerfen, dass er bei der Kriminalpolizei war.
    »Ich habe Feierabend«, sagte er.
    Sie bekam ihr Bier und Beat stellte sich innerlich auf eine Viertelstunde Konversation ein. Erst ärgerlich, aber dann dachte er, stell dich nicht so an, etwas Ablenkung kann dir nur guttun.
    »In welchem Film warst du denn?«, fragte er höflich.
    »In dem ungarischen. Im Züritipp ist er furchtbar verrissen worden, aber mir hat er gut gefallen. Wunderschöne Landschaftsbilder, schweigsame Menschen und am Schluss die große Katastrophe. Aber das ist nicht so wichtig. Erzähl von dir.«
    Beat biss auf die Zähne. Erzähl von dir. Das war eine Aufforderung, die er verabscheute. Er hätte viel lieber über Filme, die vorbeigehenden Leute oder das Wetter geredet. Erzähl von dir. Bloß nicht. Gerade jetzt nicht. Er riss sich zusammen.
    »Willst du eine Kurzzusammenfassung meiner letzten 20 Jahre?«, fragte er mit einem Lachen. »Mir gehts gut. Ich jage Verbrecher und kriege sie meistens. Ich bin geschieden, habe mich nicht fortgepflanzt, fahre im Winter Ski und im Sommer tauche ich. Und jetzt du.«
    Anikó lachte und nahm den Ball unbefangen auf. Beat atmete auf.
    »Ich unterrichte an einer heilpädagogischen Sonderschule, habe zwei Kinder, bin nicht geschieden, spiele sommers wie winters Tennis.«
    Sie begann, ausführlicher von ihrer Arbeit zu erzählen. Beat hörte zu, froh, dass er nicht reden musste. Sie fröstelte. »Hier ist es kalt. Wollen wir nicht irgendwo in einem Lokal noch was trinken? Ich habe auch noch nichts gegessen.«
    Beat brachte die Energie nicht auf, eine Ausrede zu erfinden. Außerdem hatte das Käseküchlein nicht viel hergegeben. Sie gingen in eine Pizzeria.
    »Wirst du nicht vermisst?«
    »So klein sind meine Kinder nicht mehr. Und mein Mann«, sie machte eine Pause, »ich glaube nicht, dass er mich sehr vermisst. Wir sind ja auch schon lange zusammen. Du weißt wohl, wie das geht.« Sie zuckte die Schultern. »Aber jetzt mache ich mir mit dir einen gemütlichen Abend.«
    So, dachte Beat irritiert. Anikó bestellte Lasagne, Beat ein Rindscarpaccio. Anikó orderte, ohne zu fragen, was er wolle, eine Flasche Wein. »Das müssen wir feiern, dass wir uns so zufällig getroffen haben – wenn es überhaupt Zufälle gibt.«
    Blödsinn, dachte Beat. Hat sie jetzt eine esoterische Ader entwickelt? Anikó setzte zu einer längeren Erzählung über ihre Ehe an. Beat stocherte lustlos in seinem Carpaccio, gab die nötigsten Antworten und sprach dafür umso mehr dem Wein zu. Eigentlich, dachte er, ist sie ja ganz nett. Nicht mehr so naiv und selbstgerecht wie vor 20 Jahren, und sie hat sich ehrlich gefreut, mich zu sehen. Er war schon einigermaßen betrunken, als Anikó noch Grappa bestellte. Sie war auch ziemlich angetrunken, sie hatte nie viel Alkohol vertragen. Sie verschwand für ein paar Minuten.
    »Weißt du«, kicherte sie, als sie zurückkam, »als ich heute ausging, nahm ich mir vor, einen Typen aufzureißen. Was mein Mann kann, kann ich auch. Und jetzt reiße ich dich auf.«
    Sie legte einen Hotelzimmerschlüssel auf den Tisch. »Habe ich eben bei der Rezeption besorgt.«
    Beat sah Valerie vor sich, im weinrot-olivgrünen Top, aber er sah sie Stucki gegenübersitzend, ihm zulächelnd, oder vielleicht saßen sie jetzt schon nicht mehr, vielleicht – aber dieses Bild wollte er sich nicht vorstellen. Er winkte dem Kellner, bezahlte die Rechnung und folgte Anikó. Einen kurzen Moment lang dachte er, was tust du da, verdammter Trottel, hau ab, aber dann ging er hinter ihr her die Treppe hinauf, sie schloss die Zimmertür auf und er ging hinter ihr hinein.

Sonntag
    Fritz Legler öffnete das Fenster und hakte die hölzernen Fensterläden auf. Angenehm kalte Luft strömte in sein Schlafzimmer. Die

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