Satzfetzen: Kriminalroman: Ein Zürich-Krimi
paar Jahre verheiratet gewesen war, ebenfalls nicht. Warum ausgerechnet Valerie?
An der Tramhaltestelle versuchte ein Surprise-Verkäufer, seine Zeitungen loszuwerden. Streiff drückte ihm seine Einkaufstüte in die Hand, bekam dafür vom überraschten Mann eine Zeitung und stieg in den Vierzehner.
Fritz Legler saß im Befragungszimmer, als Streiff eintrat. Es befand sich nichts darin als ein Tisch, zwei Stühle und ein Aufnahmegerät. Das Licht war kalt. Es gab keine Ablenkung, nichts, vorauf man seinen Blick oder seine Gedanken richten konnte. Es gab nur die zwei Personen. Fragen. Antworten.
»Was ist Ihnen eigentlich eingefallen, einfach abzuhauen?«, fuhr er ihn an. »Sie sind ein Verdächtiger in zwei Mordfällen.«
Legler zuckte zusammen. »Verdächtig? Und wieso zwei Mordfälle?«
»Wo waren Sie in den letzten Tagen?«
Legler legte die Hände ineinander. »Ich habe Ruhe gebraucht. Ich musste mich sammeln.« Er schaute Streiff in die Augen. »Meine Frau ist gestorben.«
»Wo Sie waren, habe ich gefragt.« Streiff war klar, dass seine unwirsche Art viel mit seiner persönlichen Befindlichkeit zu tun hatte. Aber es passte ganz gut zusammen. Jetzt würde man diesem undurchsichtigen Popstar-Pfarrer ein bisschen die Hölle heißmachen.
»Meine Frau und ich haben, hatten, also ich habe ein Häuschen in den Bergen. Ein Refugium. Ein Ort des Friedens und der Stille. Auf den Eggbergen, im Kanton Uri. Da bin ich gewesen.«
»Zeugen?«
»Nachbarn haben mich gesehen. Aber warum brauche ich Zeugen?«
»Weil Sie in Ihrem Hüttchen offenbar weder Radio noch Fernsehen noch Zeitungen haben. Donnerstagnacht ist Mario Bianchera, der Liebhaber Ihrer Frau, getötet worden. Und Sie hatten ein Motiv, ihn umzubringen.«
Legler verdaute das schweigend.
»Warum haben Sie mir verschwiegen, dass Sie von diesem Verhältnis wussten? Dass Bianchera am Vorabend bei Ihnen gewesen war, um Ihnen das zu sagen?«
»Ich dachte nicht, dass es wichtig wäre. Dass es etwas mit dem Tod meiner Frau zu tun hatte.«
»Das Denken überlassen Sie am besten mir. Was wichtig ist, entscheide ich. So viel sollten Sie wissen, dass in einem Mordfall alles auf den Tisch gehört.«
Legler richtete sich auf: »Ich habe auch noch meine Privatsphäre.«
»Wenn jemand getötet wird, gibt es keine Privatsphäre«, schnitt ihm Streiff grob das Wort ab. »Sie haben möglicherweise entscheidende Informationen zurückgehalten. Wie reagierten Sie auf Biancheras Mitteilung?«
Legler schwieg. »Ich habe ihn hinausgeworfen. Ich wollte es nicht glauben. Dann hat er mir einen Brief gezeigt. Ich liebte meine Frau. Aber was sie getan hat, ist unverzeihlich. Die Ehe ist ein unauflösliches Band zwischen zwei Menschen.«
Das tönte wieder so hohl, eine Phrase, von der Streiff nicht sicher war, ob sein Gegenüber sie wirklich glaubte.
»Aber Sie wissen schon, dass es Scheidungen gibt?«, warf er sarkastisch ein. »Ungefähr die Hälfte aller Ehen werden geschieden.«
»Das ist für mich nicht maßgebend«, konterte Legler ungerührt. »Vor Gott ist die Ehe ein unauflösliches Band.«
»Über etwas anderes haben wir uns auch noch nicht unterhalten. Über Ihr Alibi für den Abend, an dem Ihre Frau umgebracht worden ist.«
»Ich habe Ihnen doch gesagt, dass ich zu Hause war.«
»Eben. Und das ist kein Alibi. Herr Legler, ich nehme Sie in Untersuchungshaft, weil Sie beim Mord an Ihrer Frau der Hauptverdächtige sind.«
Legler schüttelte den Kopf. »Ich habe meine Frau nicht umgebracht.«
Streiff kam in Fahrt. »Nicht? Wollten Sie sie nicht bestrafen für ihren Sündenfall? Das würde doch zu Ihrem Bild vom strafenden und richtenden Gott passen? Vielleicht haben Sie sich als sein Stellvertreter, pardon, als sein Werkzeug gesehen, das die Sanktion vollzieht, die Er vorgesehen hat für die sündige Ehefrau?«
»Wie können Sie es wagen …«
»Sie haben es ja auch gewagt, Patienten im Triemli-Spital in Angst und Schrecken zu versetzen. Und Sie nehmen es sich heraus, junge Menschen um sich zu scharen und sie dann mit Ihren moralischen Vorstellungen unter Druck zu setzen. Das alles ist doch abgesegnet von Ihrem Gott. Dieser Gott würde doch Ihre untreue Ehefrau nicht ungestraft davonkommen lassen.«
Legler straffte sich. »Hat er auch nicht«, entfuhr es ihm. »Aber ich war nicht sein Werkzeug.«
»Na, sehen Sie, das ist genau Ihre Art zu denken. Gott hat sich ein Werkzeug genommen, um Ihre Frau zu bestrafen. Wie bringen Sie das aber zusammen mit dem Gebot
Weitere Kostenlose Bücher