Satzfetzen: Kriminalroman: Ein Zürich-Krimi
gesehen.«
»Weil ich im Haus war. Das Licht brannte. Ich habe gelesen und Musik gehört. Lange, nachdem die letzte Bahn gefahren war.«
»Ich war auf den Eggbergen«, berichtete Streiff. »Gestern. Ich habe auf der Bank vor Ihrem Chalet gesessen.«
Der Mann starrte ihn an.
»Ich habe darüber nachgedacht, in welchem Zustand Sie wohl gewesen sind in jenen Tagen. Sie haben Ihre Umgebung gern unter Kontrolle, nicht wahr? Und jetzt waren Dinge geschehen, die sich Ihrer Kontrolle entzogen. Ihre Frau hatte eine Liebesbeziehung mit einem anderen Mann.« Legler zuckte zusammen. »Und Ihre Frau wurde getötet. Sind Sie der Typ, der sich in dieser Situation einfach still zurückzieht? Sie sind doch der Macher, der Typ, der handelt. Warum sind Sie auf die Eggberge gefahren? Was hatten Sie vor?«
»Das kann Ihnen doch egal sein. Ich war einfach oben. Ich wollte meine Ruhe. Warum waren Sie dort? Hofften Sie, ein Messer zu finden oder was?«
»Nein, ich habe kein Messer gefunden«, gab Streiff freundlich zu. Dann fuhr er fort: »Leiden Sie unter Schlaflosigkeit? Gehen Sie nachts spazieren?«
Legler schwieg.
»Und was taten Sie tagsüber? Lesen, Musik hören, Spaziergänge machen? Und Sie haben Ordnung gemacht, nicht wahr, Sie haben zwei Mountainbikes geputzt.«
»Ja. Und?«
»Ich will Ihnen sagen, was ich mir überlegt habe, als ich auf der Bank vor Ihrem Häuschen saß, und später, als ich zu Fuß nach Flüelen hinunterging.«
Fritz Legler schaute vor sich hin.
»Ich bin auf den Gedanken gekommen, dass Ihr Alibi vielleicht doch nicht so hieb- und stichfest ist, wie es scheint. Sie sind ja ein sportlicher Mann, nicht wahr. Ich glaube, Sie sind am Donnerstag, spätabends, mit dem Mountainbike nach Flüelen hinuntergefahren. Von dort aus sind Sie mit dem Auto nach Zürich gefahren. Zu Mario Bianchera. Und haben ihn erstochen. Dann sind Sie zurückgefahren, haben das Auto wieder auf dem Parkplatz abgestellt und sind mit dem Bike wieder hochgefahren. Anstrengend, aber Sie sind ja fit. Und waren motiviert. Zeitlich könnte es hinkommen. Sie dürften zwischen 4 Uhr und 4.30 Uhr wieder oben gewesen sein. Bevor Bauer Danioth aufstand, um die Kühe zu melken. Später haben Sie das Fahrrad, das zweifellos ziemlich verdreckt war, gründlich gewaschen.«
»Das ist eine reine Fantasiegeschichte, die können Sie erzählen, wem Sie wollen. Beweisen können Sie das nie. Ich lag im Bett.«
»Dumm nur, dass jemand Sie gesehen hat«, gab Streiff zu bedenken.
»Gesehen?«
»Oder gehört. Bäri. Bauer Danioths Hund. Er hat in dieser Nacht zweimal angeschlagen. Danioth ist aufgestanden, um nachzusehen. Und hat eine Gestalt auf einem Fahrrad erblickt.«
»Wer sagt, dass ich das war?«
»Es war in jener Nacht niemand auf den Eggbergen außer den beiden Bauernfamilien, die nicht Velo fahren, und Ihnen.«
»Sehen Sie, was Sie da erzählen, sind reine Vermutungen. Sie haben nicht den geringsten Beweis. Ich lag im Bett und schlief.«
»Haben Sie Herrn Bianchera gekannt, bevor er zu Ihnen kam und Ihnen eröffnete, dass er der Liebhaber Ihrer Frau war? Waren Sie je bei ihm zu Hause?«
Legler schüttelte den Kopf.
»Dann frage ich mich allerdings, wie Haare seines Zwerghasen an Ihre Windjacke kamen.«
Legler starrte ihn an. »Zwerghase?«
»Herr Bianchera hielt sich einen Zwerghasen für seine Tochter, die die Wochenenden bei ihm verbrachte. Ein tierliebes Kind. Ich habe mir erlaubt, die Windjacke, die im Schuppen an einem Nagel hing, mitzunehmen und auf Spuren untersuchen zu lassen. Sie wissen, die moderne Spurensicherung und -auswertung können vieles. Kleinste Partikel genügen. An Ihrer Jacke fanden sich ein paar Hasenhaare, die wir verglichen haben mit den Haaren von Biancheras Hasen. Treffer.«
»Meine Frau muss die Jacke …«
Streiff klemmte ihn ab. »Ihrer Frau wäre diese Jacke bis zu den Knien gegangen. Sie hätte darin ausgesehen wie ein Clochard. In diesem Aufzug hätte sie niemals ihren Liebhaber besucht. Hören Sie auf mit diesen Ausreden. Sie sind überführt.«
Legler war anzusehen, dass er fieberhaft überlegte. Es fiel ihm nichts ein. Dafür kam ihm wieder Lena in den Sinn. »Haben Sie Lena diese Räubergeschichte aufgetischt, damit sie ihre Aussage zurücknimmt?«, fuhr er auf.
»Wir teilen Zeugen keine Ermittlungsergebnisse mit«, stellte Streiff klar.
DNA, dachte Legler, da kann man nichts machen. Wie hätte ich ahnen können, dass dieser verdammte Softy einen Zwerghasen hatte. Ausgerechnet einen
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