Satzfetzen: Kriminalroman: Ein Zürich-Krimi
Zwerghasen.
»Gut«, sagte er. »Sie haben gewonnen. Bianchera hatte mir meine Frau weggenommen. Er war ein Ehebrecher. Und dann war sie tot. Ich habe sie nicht getötet, was auch immer Sie denken, was auch immer Lena Rhyner erzählt. Ich weiß nicht, was ich mit ihr gemacht hätte. Aber sie war tot, bevor ich mit ihr reden konnte. Ich stand unter Schock. Plötzlich war nichts mehr, wie es gewesen war. Ich war in einem Strudel von Ereignissen, von denen ich überhaupt nichts gewusst hatte. Und Sie haben recht, ich bin nicht der passive Typ, der sich zurückzieht. Ich bin der Typ, der handelt. Mario Bianchera hatte mir meine Frau weggenommen. Er hatte das Sakrament der Ehe beschmutzt. Vielleicht hatte er sie auch getötet. Das konnte ich nicht hinnehmen.«
»Sie haben den Mordplan noch in Zürich geschmiedet«, sagte Streiff, »und Sie sind absichtlich auf die Eggberge gefahren, weil das für Sie ein gutes Alibi abgab.«
»Ja«, gab Legler stolz zu, »es war ein guter Plan.«
»Es geht so«, stellte Streiff nüchtern fest. »Auf den Eggbergen wissen alle, wie sportlich Sie sind. Dass Sie Mountainbiketouren unternehmen. Es gibt auch sportliche Polizisten. Ein Kollege von mir brettert in seiner Freizeit ebenfalls mit dem Rad in den Bergen herum. Er kennt die Eggberge und ist auch schon von Flüelen aus hinaufgefahren. Sie kennen ihn übrigens. Haben ihm einen Tee gekocht, als er eine Magen-Darm-Grippe hatte. Zudem ist es fast unmöglich, sich irgendwo aufzuhalten, ohne Spuren zu hinterlassen oder irgendetwas Winziges mitzunehmen. Kommen wir auf Ihre Frau zurück. Sie war doch auch eine Ehebrecherin. Ist Ihnen bekannt, dass, rein statistisch gesehen, wenn eine Frau umgebracht wird, der Ehemann oder Freund der wahrscheinlichste Täter ist?«
»Die Statistik ist mir egal, ich habe meine Frau nicht getötet«, beharrte Legler. »Vielleicht war es der Freund, Bianchera. Ich sage jetzt nichts mehr, ich will einen Anwalt.«
»Gute Idee«, stimmte Streiff zu. Er ließ Fritz Legler abführen und holte sich einen Kaffee. Er hatte also recht gehabt. Legler hätte es nie zugegeben, aber der kleine Bluff mit den Hasenhaaren hatte gewirkt. Dennoch wollte sich das Hochgefühl, ein Delikt aufgeklärt zu haben, nicht recht einstellen. Der zweite Fall war noch ungelöst. Streiff war geneigt, Legler zu glauben, dass er seine Frau nicht getötet hatte. Er musste nochmals bei Janine Bianchera, Fridolin Heer und Bruno Trümpy anknüpfen. War es doch ein versuchter Raubüberfall gewesen, bei dem der Täter gestört worden war? Oder gab es noch eine weitere Möglichkeit? Hatte er irgendetwas übersehen? Das quälende Gefühl kam wieder in ihm hoch, der Eindruck, dass er bei den Befragungen irgendeiner Kleinigkeit zu wenig Beachtung geschenkt hatte. Er zermarterte sich einmal mehr sein Hirn, aber ergebnislos.
Es ging gegen Abend. Streiff hockte am Küchentisch. Ihm gegenüber saß Zita Elmer, das Baby auf dem Arm. Die Küche war unaufgeräumt. Schoppenflaschen, Schnuller, Lätzchen lagen herum, auf dem Spültrog schmutziges Geschirr vom Frühstück. Zita Elmer war blass. Sie trug einen graugrünen Trainingsanzug, der ihr nicht stand.
»Zita, dieses Hausfrauendasein bekommt dir nicht«, meinte Streiff, während er das Durcheinander musterte.
»Das kannst du laut sagen«, seufzte Zita, »ich habs bis hier. Es ist so anstrengend und öd. Die Zeit geht vorbei, man hat nichts getan außer den Kleinen x-mal gewickelt und gestillt, und doch ist man müde. Abends räumt Linus auf.«
Das Baby öffnete die Augen, streckte die Ärmchen und zappelte mit kurzen Beinchen.
»Schon gut«, murmelte Zita und strich ihm übers Köpfchen, »alles ist fein, bald kommt Papa.«
»Ist das«, Streiff zeigte auf den Kleinen, »der einzige Mensch, mit dem du tagsüber redest?«
»Nein«, verteidigte sich Elmer, »ich rede mit dem Apotheker, mit der Verkäuferin am Marktstand und heute waren wir beim Kinderarzt.«
»Spannend«, meinte Streiff sarkastisch.
»Hör auf, deine schlechte Laune an mir auszulassen«, wehrte sich Elmer.
»Sorry«, lenkte er ein.
Mittags hatte Streiff Valerie ein SMS geschickt: Darf ich dich heute Abend anrufen? Ich möchte dich gern einladen. Schritt vier des Rückeroberungsplans. Er hatte zuversichtlich gedacht, es geht vorwärts. Mit Elan hatte er sich daran gemacht, die Alibis seiner Verdächtigen nochmals zu überprüfen. Vielleicht fand sich irgendeine kleine Unstimmigkeit, wo er nachhaken konnte, eine winzige Lücke
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