Sau tot
»Dort ist sie schon als Jugendliche immer gejoggt Heute wollte sie nur ein wenig Spazierengehen, um sich von ihrer Prüfung zu erholen.«
»Ihre Tochter hat eine Prüfung gemacht?«, fragte Max leutselig. »Und? Hat alles geklappt?«
»Das hat es.« Die Mutter entspannte sich zusehends. Außerdem war ein gewisser Stolz in ihrer Stimme nicht zu überhören. »Am Freitag hat sie das Rigorosum gehabt. Bald darf sie sich Doktor der Forstwissenschaft nennen.«
»Am Freitag war das Rigorosum?« Max’ Plauderei hatte sich offenkundig gelohnt. »Am Vormittag oder am Nachmittag?«
»Wieso?« Die Mutter guckte alarmiert. Ist das wichtig?«
»Unter Umständen ja.« Ina war weniger vorsichtig.
»Am Nachmittag«, Frau Hauffenberg hatte jetzt die Stirn gerunzelt. »Gegen fünf Uhr hat sie angerufen. Da hatte sie gerade alles hinter sich.«
Nur der Kenner bemerkte, daß Inas Mundwinkel sich deutlich nach unten verschoben. Wieder eine Niete. Die Sauerländer waren mit Alibis bestens versorgt. »Vielen Dank schon mal für Ihre Auskunft«, Max versuchte, Unbeschwertheit zu verbreiten. »Wenn es Ihnen nichts ausmacht, lassen wir das Auto hier stehen und gehen Ihrer Tochter einfach entgegen.«
»Von mir aus«, Frau Hauffenberg schaute trotzdem besorgt. Als Max sich am Gartentor umdrehte, sah sie ihnen immer noch nach.
»Scheiße zum Quadrat!«, schimpfte Ina, als sie außer Hörweite waren. »Schon wieder eine Verdächtige weniger.«
»Macht die Sache doch einfacher. Außerdem haben wir bislang nur die Aussage der Mutter. Da möchte ich zunächst mal mit ihrem Prüfer in Göttingen sprechen. Vorher glaub’ ich gar nichts.«
Inzwischen stiefelten sie in den Wald hinein. Schon nach der ersten Kurve zeigte sich eine Steigung.
»Mir fehlte schon fast was«, japste Ina nach wenigen Minuten, »ohne Steigung ist so eine Kurvenstrecke doch nur die Hälfte wert.«
»Keine Panik«, beruhigte Max sie, »wenn mich nicht alles täuscht, bleiben uns weitere Cross-Meter erspart.«
Britta Hauffenberg sah gut aus. Sie sah sogar verdammt gut aus. Dunkelblondes Haar, das in einen lockeren Zopf gebunden war, ein ebenförmiges, natürliches Gesicht und ziemlich viele Sommersprossen.
»Frau Hauffenberg?« Es war Ina, die die Initiative ergriff.
»Ja?« Die junge Frau schaute überrascht Max schätzte sie auf. Ende Zwanzig.
»Kripo Hagen«, Ina war immer noch nicht wieder ganz bei Atem, »wir hätten da ein paar Fragen an Sie.«
»Fragen?« Soweit das ging, wurde Britta Hauffenbergs helle Haut noch ein bißchen weißer.
»Es ist etwas ungewöhnlich, daß wir Sie hier aufstöbern«, bestätigte Max. »Ihre Mutter hat uns erzählt, daß Sie einen Spaziergang machen. Da dachten wir, wir gehen Ihnen einfach entgegen.«
»Aber warum? Was wollen Sie von mir?«
»Es geht um Richard Waltermann.« Ina war jetzt wieder erstarkt.
»Was ist mit Richard?« Britta Hauffenberg wirkte verunsichert.
»Sie kennen Richard Waltermann also?«
»Natürlich kenne ich ihn. Nun sagen Sie schon!«
»Er ist tot. Ermordet. Am Samstagmorgen wurde er erschossen in einem Wald ganz in der Nähe seines Wohnorts gefunden.«
»Tot? Ermordet?« Wenn Britta Hauffenberg eine Schauspielerin war, dann war sie eine verdammt gute. Plötzlich gingen ihr die Beine weg. Max griff beherzt zu. Unter Anstrengung hielt er sie mit beiden Armen fest. »Da drüben ist eine Bank«, Ina zeigte auf eine Holzbank am Wegrand. Die paar Meter dorthin schlörte Max die junge Frau mehr, als daß er sie führte. Auch, als sie endlich zum Sitzen kam, wirkte sie nicht wirklich stabil.
»Wie kann das -?« stotterte sie. Sie war wie benommen.
»Das wissen wir noch nicht«, Ina kramte in ihrer Handtasche herum, fand aber offensichtlich nichts Passendes. Die Zeiten von Kölnisch Wasser waren eindeutig vorbei.
»Wer kann denn – ich meine – warum hat ihn denn jemand erschossen?« Jetzt kamen die Tränen. Max, der Britta Hauffenberg immer noch stützte, hielt sie um so fester in seinem Arm. Von so etwas hatte man in den polizeilichen Seminaren strikt abgeraten, aber wen kümmerten schon polizeiliche Seminare, wenn neben einem jemand fast zusammenbrach? Es dauerte fast zehn Minuten, bis sich Britta Hauffenbergs Zustand verbesserte. Ina war dabei etwas unruhig geworden, aber Max hatte ihre Ungeduld tapfer ignoriert.
»Frau Hauffenberg, wann haben Sie Richard Waltermann zuletzt gesehen?«
Die junge Frau löste sich jetzt von seiner Seite und suchte krampfhaft in der Hosentasche nach einem
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