Sau tot
geben.«
»Informationen? Gisela Mühldorff?«
»Frag mich nicht nach Details! Ich habe das nur am Rande mitgekriegt.«
»Aber die Polizei weiß schon, daß die Mühldorff ein bißchen meschugge ist?«
»Georg, die wissen die Frau schon zu nehmen. Und trotzdem bin ich sicher: Sie ist nicht völlig verrückt. Was sie beobachtet hat durchaus Hand und Fuß.«
»Sie hat etwas beobachtet?«
»Ja, wahrscheinlich geistert sie die Hälfte des Tages durch den Wald. Wenn jemand etwas beobachtet hat, dann sie.«
»Aber du weißt nicht was?«
»Das geht mich nichts an.«
»Verstehe. Nimm’s mir nicht übel. Aber die Sache beschäftigt mich schon sehr. Ich habe vorher noch nie einen Toten gesehen. Ja schon, meine Großmutter, kurz nachdem sie gestorben ist. Aber das ist ja etwas ganz anderes. Richard Waltermann, der wurde erschossen. Der lag da im Wald. Dieses Bild läßt mich einfach nicht los.«
»Glaub mir, Georg, mir geht’s genauso. Ich versuche, das Ganze zu verdrängen, aber immer wieder kehren meine Gedanken zu dem Toten zurück. Ich kann gut verstehen, wie du dich fühlst.«
»Und dann diese Sache mit dieser Geliebten. Hat man die Frau eigentlich inzwischen gefunden?«
Ich zögerte kurz mit meiner Antwort. »Da fragst du mich zu viel«, gab ich dann vor. »Aber nach meiner Einschätzung kann so etwas nicht allzu lange dauern. Wenn sich ein Paar häufiger trifft, dann hinterläßt es Spuren, dann bleibt das nicht gänzlich unentdeckt. Bis die Polizei den Namen hat, das ist lediglich eine Frage der Zeit.«
»Meinst du wirklich?« Georgs vorübergehender Quasselfluß verebbte plötzlich. »Na ja, mehr wollte ich eigentlich gar nicht. Dann mach’s mal gut.«
»Ja, Georg, du auch.«
Als ich den Hörer auflegte, dachte ich darüber nach, wie viele Leute der Tod eines Menschen bewegte. Ehefrau, Kinder, Waltermanns Freundin. Geschäftsfreunde, der Bekanntenkreis. Selbst Georg, den ich für eine sauerländische Eiche hielt, war ganz schön aus der Bahn geworfen. Es wurde Zeit, daß der Fall sich klärte. Und zwar je schneller, desto besser.
Als ich von der Küche über den Flur zum Arbeitszimmer zurückging, folgte mir Süffel auf dem Fuß. An der Haustür blieb er auf einmal stehen und wedelte mit dem Schwanz. Dann bellte er plötzlich. Da mußte jemand draußen sein. Ich öffnete die Tür.
Davor saß jemand. Auf der Fußmatte, die sich unmittelbar vor der Haustür befand. Zusammengekauert, als hätte die Person vor, noch mindestens vier Stunden dort sitzen zu bleiben. Als ich mich näherte, ging nicht einmal der Kopf in die Höhe. Trotzdem hatte ich eine Ahnung, wer dort saß.
»Hallo, Sebastian!«
»Hallo!« Die Stimme war dumpf.
»Willst du nicht reinkommen?« Der Junge reagierte nicht. Ich hockte mich daneben. Und Süffel nahm ebenfalls Platz. Wir waren zu dritt. Dann schwiegen wir eine Weile. Wir hatten ja Zeit.
»Bist du mit dem Zug gekommen? Oder mit dem Bus?«
»Per Anhalter.«
Sebastian nahm sich ein Stöckchen, das neben den Betonplatten lag und kratzte damit auf dem Boden herum.
»Sie sind doch Vertrauenslehrer, nicht wahr?« sagte er plötzlich.
»Ja, das bin ich.« Ich nickte.
»Kann ich Sie mal sprechen – als Vertrauenslehrer jetzt?« Sebastian guckte mich immer noch nicht an.
»Natürlich, schieß los! Wir könnten allerdings nach drinnen gehen. Dort ist es nicht so kalt.
Mit Schwung pfefferte der Junge das Stöckchen in ein Beet. Dann stand er auf.
Wir ließen uns in der Küche nieder, obwohl es völlig chaotisch dort aussah. Sebastian setzte sich auf die Bank.
»Sie haben meinen Vater gefunden, nicht wahr?« Eigentlich war das keine Frage, mehr eine Aussage. Wahrscheinlich war das der eigentliche Grund, warum er mich aufgesucht hatte.
»Das stimmt«, bestätigte ich. »Ich habe ihn gefunden.«
»Ich darf ihn nicht sehen«, meinte Sebastian jetzt. »Die Polizei gibt ihn nicht raus. Und auch nachher darf ich ihn nicht sehen, hat Mama gesagt.« Sebastian kritzelte noch immer mit dem Stöckchen herum. »Mama sagt, sie schneiden ihn auf und an ihm herum. Sie sagt es ist besser, wenn ich ihn so in Erinnerung behalte, wie ich ihn zuletzt gesehen habe. Aber das möchte ich nicht.« Sebastian schluckte. »Wissen Sie, welches Bild ich im Kopf habe, wenn ich an meinen Vater denke?« Verschwommen sah Sebastian mich an. Urplötzlich entdeckte ich eine Ähnlichkeit zwischen ihm und seinem Vater. Das Haar! Gut, Waltermann war dunkelhaarig gewesen. Sebastian war blond. Aber er besaß
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