Saubande: Ein Schweinekrimi (German Edition)
hatte sie Sehnsucht nach ihrem Stall, nach der Wiese und den anderen. Bestimmt würde Doktor Pik sich Sorgen machen, und Che würde nach ihr Ausschau halten. Vielleicht waren sie sogar ausgebrochen, um nach ihr zu suchen.
»Dafür, dass alles so gut geklappt hat, bist du ziemlich schweigsam«, sagte Lunke, als sie in den Wald einbogen und die Anspannung langsam von ihnen abfiel.
»Tut mir leid«, erwiderte Kim. »Ich war ganz in Gedanken. Es ist alles so neu für mich, und ich glaube, ich möchte jetzt lieber nach Hause.«
»Versteh ich«, sagte Lunke. »Du bist nur ein kleines Hausschwein, bist es nicht gewohnt, in freier Wildbahn …«
»Hör auf, so zu reden«, unterbrach Kim ihn. Sie wurde allmählich richtig wütend. Lunke war ein wilder Schwarzer, okay, aber das gab ihm nicht das Recht, so herablassend mit ihr zu reden.
»Wenn du noch ein wenig Zeit hast, könnte ich dir meinen Lieblingsplatz zeigen – ein kleiner See mitten im Wald, zu fressen gibt es da auch genug. Gräser, Würmer, später im Sommer sogar Eicheln, eine echte Delikatesse.« Er klang eindeutig versöhnlicher.
Kim zögerte. Vorsichtig schaute sie sich um. Vogelgezwitscher flirrte um sie her, ein paar kleinere Tiere hüpften vor ihnen davon. Eigentlich bestand kein Grund zur Eile. Die anderen würden sicher auf sie warten, Hunger hatte sie auch, und außerdem würde sie ohne Lunkes Hilfe ohnehin nicht zum Stall zurückfinden.
»Also gut«, sagte sie, und im nächsten Moment verpasste Lunke ihr einen Rempler, der sie beinahe aus dem Gleichgewicht gebracht hätte. Das war wohl seine Art von Zärtlichkeit. Dann preschte er durch das Unterholz davon.
»Mir nach!«, brüllte er.
Der ganze Wald geriet in Aufruhr. Vögel flogen erschreckt auf, ein Reh sprang an ihnen vorbei.
Klar, dachte Kim, jetzt spielt er den starken Beschützer. Aber wenn sie ehrlich war, hatte er sich auch bei Kaltmann mutig und klug verhalten. Was für ein riesiges, furchtbares Gewehr hatte der Schlächter in der Hand gehalten!
Sie rannte Lunke nach und hatte größte Mühe, ihn nicht aus den Augen zu verlieren. Was würden sie tun, wenn sie einer Rotte von Schwarzen in die Quere kamen? Darüber wollte sie lieber nicht nachdenken, aber wahrscheinlich hatten die anderen Schwarzen sich längst eine Senke gesucht, um ein Verdauungsschläfchen zu halten.
Plötzlich hörte Kim es vor sich platschen!
Lunke hatte sich in vollem Lauf in den kleinen See gestürzt. Er prustete und wälzte sich.
»Wunderbar – es gibt nichts Schöneres, als ein wildes, freies Schwein zu sein!«, brüllte er.
Kim blieb atemlos am Ufer des Sees stehen. Sie hatte das Gefühl, noch rosiger auszusehen als sonst.
»Komm rein!«, rief Lunke. »Keine Gefahr! Die anderen sind längst weg.« Er tauchte mit seinem Kopf unter und spuckte dann eine riesige Wasserfontäne in ihre Richtung.
Vorsichtig hielt Kim einen Huf ins Wasser, um die Temperatur zu prüfen, doch da war Lunke schon heran und versetzte ihr einen solchen Stoß, dass sie die Balance verlor und längs ins Wasser fiel. Sie quiekte auf, doch er hatte recht. Das Wasser war herrlich warm und auch nicht so tief, wie es vom Ufer aussah. Nirgendwo konnte man sich besser suhlen.
Lunke warf sich auf sie und nutzte gleich die Gelegenheit, sie an dieser und jener Stelle abzuschnüffeln. Sie nahm sich vor, ihn ein wenig mehr auf Distanz zu halten, aber insgeheim musste sie sich eingestehen, dass ihr sein Imponiergehabe gefiel. Immer wieder warf er sich gegen sie. Bestimmt war er zehnmal so stark wie Che, von dem fetten Brunst gar nicht zu reden.
»Hast du es schon mal gemacht?«, fragte Lunke, als sie später nebeneinander im hohen Gras lagen.
Sie hatten sich ordentlich den Bauch voll geschlagen, Farn, Gras, Würmer, alles, was es auf ihrer Wiese nicht gab. Wenn Kim ehrlich war, hätte sie sich am liebsten an Lunke geschmiegt und die Augen geschlossen.
»Was gemacht?«, fragte sie schläfrig.
»Na, das eine – sei doch nicht so begriffsstutzig.« Lunke beugte sich über sie. Sein unversehrter linker Eckzahn berührte sie sanft und vorsichtig.
»Das eine?« Davon hatte auch Doktor Pik immer gesprochen, aber sie hatte nie wirklich verstanden, worauf er anspielte. Nun begann sie allmählich zu begreifen.
»Ich weiß ja, dass deine Jungs es nicht mehr bringen. Denen hat man das Wichtigste abgeschnitten – das wird einem sofort klar, man muss nur die Nase in den Wind halten. Heißt das etwa, dass du noch nie …«
Plötzlich musste sie an
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