Saubande: Ein Schweinekrimi (German Edition)
sollte. Zwei Plastiktüten lagen da, eine leere Flasche, die nach Alkohol roch, und eine Zeitung, von der ihr Munks Gesicht entgegenblickte. Kim war so irritiert, einen deutlich jüngeren, lächelnden Munk zu sehen, dass sie sich ein paar Atemzüge lang nicht rühren konnte.
»Komm schon«, sagte Dörthe und stemmte sich gegen ihr Hinterteil, »beweg dich ein bisschen. Ich kann deinetwegen schlecht einen Anhänger mieten.«
Es war verwirrend, den toten Munk auf einem Stück Papier zu entdecken, aber noch merkwürdiger war es, sich auf ihn zu stellen. Ein kurzes Misstrauen erfasste Kim. Vielleicht würde Dörthe sie gar nicht nach Hause fahren? Aber nein, wenn sie sich nicht mehr auf Dörthe verlassen könnte, dann könnte sie niemandem mehr trauen. Sie sog die Luft ein und sprang, so geschickt sie es vermochte, in den engen Wagen.
»Brave Kim«, sagte Dörthe und schlug die Tür zu. Mit erschöpfter Miene ging sie um das Auto herum und stieg vorne ein. Kim wagte nicht, sich hinzulegen. Stocksteif stand sie da, das schräge Dach ein winziges Stück über ihrem Kopf, und wurde so stark hin und her geschaukelt, dass ihr übel wurde. Sie hatte eindeutig zu viel gefressen. Ihr Magen fühlte sich an, als hätte sie Steine geschluckt, und wenn sie den Blick nur für einen Moment senkte, schaute Munk zu ihr herauf, was sie auch nicht gerade beruhigte.
Immer wieder drehte sich Dörthe nach ihr um. »Alles in Ordnung, kluge Kim?«, fragte sie. »Genieß die Fahrt! Ich glaube nicht, dass es irgendwo auf der Welt ein Schwein gibt, das schon einmal in einem Golf-Kabrio gefahren ist.«
Kim grunzte leise. Was draußen an ihr vorbeiflog, konnte sie kaum richtig erfassen. Häuser, die viel imposanter waren als Munks Haus mit ihrem Stall, und andere Autos, die es offenbar in allen Größen und Farben gab. Gelegentlich starrten Menschen zu ihr herüber – einige begannen zu lachen und deuteten auf sie, andere rissen den Mund auf oder erbleichten überrascht oder entsetzt, so genau konnte sie das nicht erkennen.
Einmal, als Dörthe so scharf gebremst hatte, dass Kim fast von der Rückbank gefallen wäre, begann sie lauthals zu lachen. »Die Leute gucken dich an, als wäre ihnen ein Geist erschienen!«, rief sie und lachte wieder. »Kim – das Geisterschwein, das mit Drogen dealt.«
Später, als die Straße endlich nicht mehr so viele Kurven hatte und sie auch nicht mehr an jeder Ecke anhalten mussten, schrillte ein Apparat. Kim kannte das mittlerweile. Fast jeder Mensch schien so ein Ding zu haben, der tote Munk, Ebersbach, Kroll, nicht zu vergessen der mürrische Haderer, der sich oft mit so einem Ding in die Ecke gelegt und unaufhörlich vor sich hin geredet hatte.
»Schredder, was wollen Sie?«, fragte Dörthe so unfreundlich, wie sie mit den Schweinen nie gesprochen hatte. Geschickt hatte sie sich das winzige Ding unters Ohr geklemmt.
Kim meinte zu beobachten, wie sich ihr Gesicht immer weiter verdüsterte, während sie der blechernen Stimme zuhörte, die aus dem Apparat drang.
»Ich weiß, dass Robert Sie beauftragt hat, alle seine Werke zu katalogisieren und zu verkaufen, aber ich kann Ihnen leider nicht sagen, was die Bilderfolge Richter 1 bis 8 zu bedeuten hat. Wenn die Bilder fehlen, wird es einen Grund haben. Vielleicht hat Robert …« Dörthe verstummte abrupt. Die blecherne Stimme klang plötzlich auch sehr unfreundlich, wobei Kim den genauen Wortlaut leider nicht verstehen konnte, sosehr sie auch die Ohren spitzte.
»Ich weiß nichts über die Bilder – ich kenne sie nicht«, erwiderte Dörthe mit schneidender Stimme. »Und es hat mich auch nie interessiert, was in Roberts Testament steht. Vielleicht hat er die Bilder verschenkt, ohne Ihnen und mir davon etwas mitzuteilen. Es gibt doch diesen anderen berühmten Maler, der Richter heißt … Gut, dann weiß ich es auch nicht.«
Kim sah, dass eine Ader an Dörthes Schläfe heftig zu pochen begann. Sie fuhr auch immer schneller und unvorsichtiger und bog so unvermittelt in eine andere Straße ein, dass Kim aus der Balance geriet und mit dem Rüssel schmerzhaft gegen das Fenster vor ihr stieß.
»Nein!«, rief Dörthe, nachdem sie den Wagen wieder unter Kontrolle hatte. »Ich finde es empörend, dass Sie hinter mir herspionieren. Ich habe dieses Bild an mich genommen, weil Robert es mir geschenkt hat … Er hat es in drei Tagen gemalt, nachdem wir … Es ist mein Eigentum.« Die letzten Worte hatte Dörthe beinahe geschrien. So zornig hatte Kim sie noch nie
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