Saubande: Ein Schweinekrimi (German Edition)
sie die paar Gräser, die sie gefressen hatte, nicht bei sich behalten konnte, und auch sonst kräftig unter sich machte.
Doch es war ihr gleichgültig. Mochte kommen, was wollte. Sie würde sich für nichts schämen und sich vor nichts fürchten – das nahm sie sich jedenfalls vor.
Aber in Wahrheit fürchtete sie sich sehr. Auch an ihre Mutter dachte sie – es wäre sehr schön gewesen, wenn ihre Mutter in diesem Moment bei ihr gewesen wäre und ihr Geschichten erzählt hätte – von guten Menschen und Schweinen. Etwa von dem glücklichen Mann, der mit einem Schwein durch die Welt gelaufen war und an jeder Ecke etwas geschenkt bekommen hatte.
Als die Klappe geöffnet wurde, fiel so grelles Licht in ihre Augen, dass Kim ihre Lider sofort wieder schließen musste. Sie hechelte leicht, als man sie seltsam behutsam auf eine Trage legte.
Als sie unter Mühen ein Auge öffnete, erblickte sie eine rothaarige Frau, die leicht Dörthes Schwester hätte sein können, nur dass sie eine überdimensionale Brille trug und ein wenig älter war. Mit schnellen Kommandos dirigierte die Frau drei junge Männer, die eine Trage hielten, in ein weiß gefliestes Gebäude, das hoffentlich kein Schlachthaus war.
»Passt auf, dass der kleinen Sau nichts passiert!«, rief die Frau.
Kim schöpfte Hoffnung. Nein, das war wohl kein Schlachthaus, wo Kaltmann oder Männer, die ihm ähnlich sahen, mit ihren scharfen Messern auf sie warteten.
Der Geruch, der sie einhüllte, war ekelhaft. Sie wurde auf eine kalte Metallplatte gelegt, und dann begann die rothaarige Frau, die sich leuchtend gelbe Handschuhe übergestreift hatte, an ihr herumzutasten und seltsame Apparaturen an ihr anzulegen, die zwar nicht wehtaten, Kim aber erschauern ließen.
Die meiste Zeit hielt Kim die Augen geschlossen und atmete still vor sich hin. Ihre Augen funktionierten immer noch nicht richtig, doch zumindest spürte sie keine Schmerzen. Nicht einmal ihr Herz hämmerte heftig, wie es sonst stets geschah, wenn sie sich unwohl fühlte oder vor etwas Angst hatte.
Viel später, nachdem sie eingeschlafen war, ohne es bemerkt zu haben, erwachte sie, weil die rothaarige Frau ihren Kopf umfasst hatte und ihr leuchtend orangefarbene Möhren vor die Schnauze hielt. Kim schnappte sofort zu. Sie war hungrig wie noch nie. Wenn sie es recht bedachte, hatte sie ohnehin seit Munk tot war viel zu wenig gefressen und geschlafen.
»Einen Test müssen wir noch machen«, sagte die Frau freundlich und brachte nach den Möhren auch noch einen Eimer Wasser, über das sich Kim ebenfalls ohne Zögern hermachte.
Danach leuchtete die Frau ihr mit einem Licht in die Augen und rief zwei Männer heran, die Kim von dem Metalltisch auf den Boden stellten.
Unschlüssig stand sie im Raum. Was wollten die Menschen von ihr? Sechs Augenpaare – vier davon hinter Brillengläsern – musterten sie misstrauisch. Kim begann sich umzudrehen und zu schnüffeln, obwohl sie sicher war, dass es in dem Raum nichts Interessantes gab. Apparate standen herum, ein paar Metalleimer, die einen widerwärtigen, ätzenden Geruch verströmten, Stühle, Schränke, der Boden war gefliest, und nirgendwo gab es etwas zu fressen.
»Scheint, als wäre unser kleines Drogenschwein wieder auf dem Damm«, erklärte die Frau und nickte den Männern zu.
Im nächsten Moment wurde Kim bei den Hufen gepackt und auf ein schwarzes Stück Gummi gestellt. Die Hände der Frau legten vorsichtig einen Gurt um sie herum, und nur Augenblicke später ruckelte die Gummimatte unter ihren Füßen und setzte sich in Bewegung. Kim spürte Übelkeit und Schwäche in sich aufsteigen, und gleichzeitig begannen ihre Füße sich wie von selbst zu regen. Sie tat, als würde sie laufen, ihre Beine und Hufe bewegten sich im Laufschritt, ohne dass sie jedoch von der Stelle kam. Vor Anstrengung und Überraschung starrte sie vor sich hin, doch bemerkte sie durchaus, dass die Menschen sie immer noch aufmerksam beobachteten. Irgendwelche Apparate blinkten, und ein penetrantes Piepen erfüllte den Raum.
Schließlich, als sie kaum noch atmen konnte, stand die Gummimatte unter ihren Hufen plötzlich still. Kim spürte, wie sie in den Gurt sank. Das war alles zu viel für sie. Noch mehr von diesen Tests würde sie nicht durchstehen. Das Herz klopfte ihr bis ins Maul hinauf, und wenn sie nicht gleich einen riesigen Eimer Wasser bekam, würde sie auf der Stelle tot umfallen.
»Alles in Ordnung!«, rief die rothaarige Frau erfreut und klatschte in die Hände.
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