Saubande: Ein Schweinekrimi (German Edition)
den Saal, als wolle er klarmachen, dass er im Namen eines anderen sprach, »erkläre hiermit im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte meinen Letzten Willen.« Er räusperte sich. »Wie die wenigsten wissen, ist mir vor sechs Jahren ein Lungenflügel entfernt worden. Damals hat man mir Hoffnungen gemacht, dass der bösartige Tumor, der meine Lunge befallen hatte, bei gesunder Lebensführung besiegt sei. Nun, die Ärzte waren zu optimistisch. Ich selbst habe immer gewusst, dass der Krebs in mir war und früher oder später zurückkehren und mich bestrafen würde. Wie ich vor zwei Wochen erfahren habe, ist mittlerweile auch mein zweiter Lungenflügel befallen. Ich werde innerhalb der nächsten sechs Monate sterben. Daher muss ich ein paar Dinge regeln. Ich habe ein gutes Leben geführt, das ich ganz der Kunst gewidmet habe, und bin zu meinem eigenen Erstaunen sehr erfolgreich geworden. Die Bilder, die sich noch in meinem Besitz befinden, vermache ich meinem Bruder Matthias, der in einer Woche aus dem Gefängnis entlassen werden wird. Ihm soll auch das Haus gehören. Allerdings …« Der Ziegenbart brach ab, weil jemand im Raum laut aufgestöhnt hatte.
Kim suchte Dörthes Gesicht. Sie saß in der ersten Reihe und blickte ohne jede Regung vor sich hin.
»Allerdings«, fuhr das Männlein gewichtig fort, »soll meine Lebensgefährtin Dörthe Miller Wohnrecht auf Lebenszeit besitzen. Ihr vermache ich die Bilder, für die sie mir Modell gestanden hat. Dazu erhält sie fünfhunderttausend Euro – unter der Bedingung, dass sie sich von Herrn Doktor Gerald Michelfelder trennt, der sie sowieso niemals heiraten wird. Fotos von Herrn Doktor Michelfelder, die ihn in intimen Situationen mit seiner Frau Helga und seiner langjährigen Sekretärin Annemarie Becker zeigen, können bei meinem Notar, Herrn Professor Doktor Maximilian Hinck, eingesehen werden. Außerdem muss Herr Michelfelder das Bild zurückgeben, das Dörthe Miller ihm ohne mein Einverständnis überlassen hat.«
»Was soll der Unsinn!« Michelfelder war aufgesprungen. Er zerrte an seinem Hemdkragen, als wäre er ihm auf einmal zu eng geworden, dann zwängte er sich an Ebersbach vorbei nach vorne. »Will dieser Saukerl mich noch aus dem Grab heraus fertigmachen? Das lasse ich mir nicht gefallen.« Wild gestikulierend stürmte er nach vorne. »Eine solche Unverschämtheit habe ich noch nie erlebt! Mir nachzuspionieren und mich zu verleumden!« Wütend starrte er Dörthe an, die seinen Blick jedoch nicht erwiderte, sondern auf ihrem Stuhl zusammengesunken war, und eilte hinaus.
Kim sah, wie er laut fluchend zu seinem Auto lief, hastig einstieg und mit quietschenden Reifen den Hof verließ.
Ungerührt hatte der Ziegenbart an einem Glas Wasser genippt. »Gibt es weitere unangemeldete Wortbeiträge?«, fragte er mit strengem Blick. Als sich niemand rührte, fuhr er fort. »Außerdem erhält Dörthe Miller eine lebenslange Rente von monatlich dreitausend Euro – unter der weiteren Bedingung, dass sie nicht mehr in Nachtclubs oder Varietés auftritt, sondern Schauspielunterricht nimmt und sich ernsthaft um ihre Karriere kümmert.«
Jemand in der zweiten Reihe hustete leise, was ihm einen vorwurfsvollen Blick vom Ziegenbart eintrug. Dörthe rutschte auf ihrem Stuhl unruhig hin und her, und irgendwie glaubte Kim, sie würde gleich aufstehen und ebenfalls aus dem Raum stürmen, doch sie blieb sitzen und zog ein weißes Taschentuch hervor, an dem sie nervös herumgriff.
»Der Kirchengemeine Sankt Pankratius, der ich mich, obwohl nicht im engen christlichen Sinne gläubig, freundschaftlich verbunden fühle, vermache ich zweihundertfünfzigtausend Euro für eine neue Orgel – unter der Bedingung, dass Pfarrer Eugen Altschneider sich bei seinem Bischof selbst anzeigt und gesteht, zweihunderttausend Euro veruntreut zu haben. Zudem muss er schriftlich versprechen, seine krankhafte Spielsucht behandeln zu lassen.«
Ein allgemeines Stöhnen lief durch die Reihen. Kim entdeckte einige hochrote Köpfe. Kaltmann sah seine Frau neben sich an und machte ihr ein Zeichen, ob sie nicht besser gehen sollten, doch die Frau schüttelte den Kopf. Sein Sohn hatte das Gesicht verzerrt und stierte geradeaus, als wollte er es unbedingt vermeiden, seinen Vater anzublicken. Wahrscheinlich vermutete er, dass er auch noch an die Reihe kommen würde.
Der Ziegenbart wartete ab, bis sich die Unruhe gelegt hatte. Als Einzigen im Raum schienen ihn die Worte, die er vorlas, nicht zu überraschen.
»Herr
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