Saubande: Ein Schweinekrimi (German Edition)
Emil Haderer, mein Gärtnergehilfe, erhält fünfzigtausend Euro – unter der Bedingung, dass er die Hanfanpflanzungen im Wald vernichtet und stattdessen Buchen anpflanzt und pflegt. Außerdem muss er die Bleistiftstudien zurückgeben, die er mir im letzten Sommer aus meinem Jeep gestohlen hat, während ich auf einer kurzen Vortragsreise war.«
»Quatschen die immer noch?« Brunst postierte sich erneut neben Kim und blickte missmutig in das Atelier. Er rümpfte seinen Rüssel. »Was reden die denn da, statt zu fressen? Sie sollen endlich anfangen und uns etwas abgeben.«
»Wenn du nichts dagegen hast, würde ich gerne weiter zuhören«, bemerkte Kim unwirsch. Sie strengte sich über alle Maßen an, jedes Wort mitzubekommen, das gesprochen wurde.
»Diese Gerüche machen mich ganz verrückt«, sagte Brunst. »Und mein Magen knurrt, dass ich mich nicht einmal zu einem Schläfchen hinlegen kann.«
»Aber du frisst doch schon den ganzen Tag«, entgegnete Kim. Sie beobachtete, wie das Männlein gewichtig ein neues Blatt zur Hand nahm.
»Doch nur Kohlköpfe!«, rief Brunst vorwurfsvoll. »Kohlköpfe machen nicht satt.«
»Still!«, zischte Kim ihm zu.
Ein älterer Mann und eine dunkelhaarige Frau, die wie zu einer Beerdigung ganz in Schwarz gekleidet waren, hatten offenbar genug gehört. Ohne jemanden anzuschauen, verließen sie den Raum und hasteten ins Freie, um dann die Straße hinunterzulaufen, als wären sie auf der Flucht. Die anderen blieben mit furchtsamen Mienen sitzen.
Der richtige Munk ist anscheinend ein Mann gewesen, der eine Menge Dinge mitbekommen hat, dachte Kim, nur hat er anscheinend nicht gewusst, wer ihn umbringen wollte. Oder würde das dürre Männlein das auch noch mitteilen?
»Nun«, sagte der Ziegenbart mit veränderter Stimme, die wohl anzeigen sollte, dass er nichts vorlas, »komme ich zu einer Liste von Personen, die von dem Verstorbenen nicht als Erben eingesetzt worden sind. Im Gegenteil, diese Menschen, die allesamt aus dem Dorf stammen, wie ich aus der beiliegenden Adressenliste ersehen kann, müssen die Geldbeträge, die Robert Munk ihnen geliehen hat, auf Heller und Pfennig innerhalb der nächsten drei Monate an mich zurückerstatten.« Er räusperte sich, blickte wieder streng über seine Brille in den Saal und begann, eine Menge von Namen vorzutragen. »Häusler – zehntausend Euro, Niedermayer – dreizehntausend Euro, Schneider – dreißigtausend Euro …«
Kim wurde es schier schwindlig. Immer wieder sah sie den einen oder anderen der versammelten Menschen zusammenzucken. Irgendwann fiel auch Kaltmanns Name, und er schaute seine Frau vorwurfsvoll an, als wäre sie schuld, dass sie noch hier saßen und das alles mit anhören mussten.
»Komm schnell – Doktor Pik atmet gar nicht mehr richtig«, hauchte Cecile ihr so schrill ins Ohr, dass Kim erschrak.
»Was?« »Doktor Pik … Er bewegt sich nicht, nur noch sein Rüssel zuckt.«
»Also bewegt er sich doch noch«, erwiderte Kim, ungehalten über die Störung.
»Ja, aber so, als würde er keine Luft mehr kriegen«, antwortete Cecile mit nörgelnder Stimme.
»Sag Che, er soll sich um Doktor Pik kümmern. Ich komme gleich.« Kim sah, dass der Ziegenbart ein neues Blatt hervorgeholt hatte.
»Aber Che redet nur die ganze Zeit vor sich hin und guckt mich überhaupt nicht an.« Cecile machte keine Anstalten, in den Stall zurückzukehren.
»Sag ihm, das fünfte Gebot lautet: ›Ein jüngeres Schwein soll sich um ein älteres kümmern!‹« Kim versetzte Cecile einen leichten Stoß, damit die Kleine endlich verschwand. Sie wusste, dass es nicht richtig war, was sie tat. Doktor Pik hatte Lunke und sie gerettet, und sie war verpflichtet, nach ihm zu sehen, aber die Spannung unter den Menschen ließ sie nicht los. Gleich würde etwas Besonderes passieren – irgendwie lag Ärger in der Luft. Auch Ebersbach hatte eine gewisse Unruhe erfasst. Er hatte seinen silberfarbenen Apparat hervorgezogen und betrachtete ihn nachdenklich.
Als der Ziegenbart die Liste vorgelesen hatte, blickte er mit einem dünnen Lächeln in den Raum, dann fuhr er fort: »Die Summe, die von den Schuldnern zurückgezahlt werden muss, beläuft sich auf über fünfhunderttausend Euro. Die Hälfte des Geldes erhält die Grundschule am Ort, damit ein neuer Zeichensaal eingerichtet werden kann – Bedingung ist allerdings, dass die Grundschüler jeden Tag mindestens eine Stunde Malunterricht erhalten und ihre Werke zweimal im Jahr ausstellen.«
Zum ersten Mal
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