Saubande: Ein Schweinekrimi (German Edition)
machst du hier?« Kim spürte, wie sich die Erleichterung in ihr ausbreitete, und dann roch sie es. Blut! Er war verletzt – schon wieder.
»Ich dachte, ich schaue mal vorbei«, erwiderte Lunke und lächelte.
Er hatte eine üble Wunde an der linken Flanke. Die schwarzen Borsten waren voller Blut, aber die Wunde hatte sich bereits geschlossen.
»Liebster!« Kim stürmte auf ihn zu und strich mit ihrem Rüssel vorsichtig über die blutverklebten Borsten. Er hatte in letzter Zeit einiges einstecken müssen. »Haben die Hunde dich erwischt?«
»Harmloser Kratzer«, erklärte Lunke. »Habe mich an einem Ast verletzt, als ich die Biege machen musste. Drei von diesen Bestien waren hinter mir her.« Er zögerte einen Moment und lächelte. »Hast du eben ›Liebster‹ zu mir gesagt?«
»Kann sein«, erwiderte Kim und besah sich die Wunde. »Vor Schreck habe ich wahrscheinlich ein wenig übertrieben.«
Lunke lächelte so breit, dass ein Hauch Mondlicht auf seine schiefen Zähne fiel. »Ich finde, du könntest wirklich ein wenig netter zu mir sein. Den Toten haben sie übrigens abgeholt. Die Elstern hatten ihm schon die Augen ausgepickt, sah nicht besonders schön aus.«
Kim schüttelte sich. »Und dann sind die Hunde gekommen, nicht wahr?«
Lunke nickte, nun wieder mit ernstem Gesicht. »Haben ziemlich Radau gemacht, diese elenden Kläffer, aber sie sind viel zu blöd, um uns Schwarze zu erwischen. Nicht einmal ein Kaninchen haben sie gekriegt. Beim nächsten Mal gibt es eine richtige Keilerei – das haben wir uns geschworen.«
»Wer hat sich das geschworen?«, fragte Kim plötzlich argwöhnisch. »Ich denke, du streifst immer alleine durch den Wald.«
»Nun ja«, erwiderte Lunke zögernd. »Manchmal lasse ich mich aus alter Verbundenheit bei meiner Rotte blicken, aber ich bin nicht irgendwie liiert, falls du das meinst.« Er grinste noch unverschämter.
Kim schwieg und blickte zum Haus hinüber. Alles war dunkel, und kein fremdes Auto parkte mehr da, nur noch Dörthes Kabrio. Der Geruch von Schweinefleisch lag ebenfalls nicht mehr in der Luft. Sie begannen im Mondschein über die Wiese zu schlendern.
»Glaubst du, dass Kroll wirklich all diese Menschen umgebracht hat – den richtigen Munk, Haderer und Altschneider?«, fragte Kim. Es war vielleicht besser, nicht so viel über Lunke und sich selbst zu reden.
Lunke hielt kurz inne und scharrte mit einem Huf in der Erde. »Ist mir egal, wer wen umgebracht hat«, sagte er. »Ich denke nicht oft an Menschen. Es wäre viel schöner, wenn es gar keine Menschen gäbe. Stell dir vor, wie friedlich es dann wäre. Keine Autos, keine Jäger, die in der Gegend herumballern. Und Hunde bräuchten wir auch keine – die könnten zusammen mit den Menschen verschwinden. Es wäre das Paradies auf Erden.«
»Das Paradies?« An eine Welt ohne Menschen hatte Kim noch nie gedacht. Wer würde ihnen dann das Fressen bringen?
Lunke kam ihr ein wenig näher. Sie roch wieder das Blut. »Eigentlich wollte ich dich fragen, ob du mit mir zum See kommst. Wir könnten baden, uns ein wenig im Morast suhlen und dann vielleicht …«
»Und dann vielleicht?« Kim schaute ihm in die Augen. Ein silbernes Licht spiegelte sich darin. Die bitteren Pflanzen waren alle abgemäht worden, fiel ihr ein. Zumindest würde ihr nicht wieder schwindlig werden, und sie würde Lunke auch nicht mehr so nah an sich heranlassen wie beim letzten Mal. Sie hatte immer noch keine Erinnerung daran, was da wirklich zwischen ihnen passiert war.
»Falls es sich ergibt, würde ich dir gerne jemanden vorstellen.« Selten hatte Lunke so verlegen geklungen – er wich auch ihrem Blick aus. »Es kann nichts passieren«, fügte er hinzu und kratzte wieder in der Erde. »Die Hunde sind weg, der Tote ist abgeholt worden. Außerdem hast du es versprochen – neulich, als ich euer nerviges Minischwein befreit habe.«
»Ich weiß nicht«, sagte Kim, auch wenn sie sich an das Versprechen genau erinnerte. »Ich muss mich um Doktor Pik kümmern. Er hat uns gerettet, aber damit ist er weit über seine Kräfte gegangen. Fast wäre er gestorben. Und überhaupt habe ich …« Habe ich versprochen, die Wiese nicht mehr zu verlassen, wollte sie sagen, brachte es aber nicht heraus.
Sie schwiegen einen Moment.
Klein und unbedeutend kam Kim sich plötzlich neben Lunke vor. Konnte das wirklich sein, dass ein wilder Schwarzer sich mit ihr einlassen wollte?
Das Schweigen wurde immer unbehaglicher.
Ich muss etwas sagen, dachte Kim, während
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