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Sauberer Abgang

Sauberer Abgang

Titel: Sauberer Abgang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
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endlich erreichte, so wie ein vielbeschäftigter Spürhund eben klingt.
    »Marcus Saitz«, sagte er. »Du hast ihn doch gekannt, oder?«
    »Seit mehr als einem Vierteljahrhundert.« Ein Vierteljahrhundert. Das wog schwerer als bloße 25 Jahre.
    »Wußtest du, daß er mit fremdem Geld spekuliert hat?«
    »Nein. Woher sollte ich?«
    »Und daß er jede Menge faule Kredite vergeben hat? An seine Freunde? Vielleicht auch an dich?« Niels Keller fragte, wie man offenbar fragt, wenn man schon mal einen Preis für eine Gerichtsreportage gewonnen hat.
    Schön wär’s, dachte Will und sagte nichts.
    »Und Thomas Czernowitz. Ein Staatsanwalt, der über seine Verhältnisse lebt, ist mit einem Banker befreundet, der nicht ehrlich ist – das macht sich nicht gut, oder?«
    »Niels, also wirklich.« Will mobilisierte seine ganze Ruhe. »Das ist doch bloße …«
    »Und kannst du mir sagen, welche Rolle Julius Wechsler dabei spielt? Unser Großgrundbesitzer? Ich weiß doch, daß ihr euch regelmäßig trefft!«
    Spekulation, hätte Will gerne hinzugefügt, wenn Niels ihn nicht unterbrochen hätte. Jetzt sagte er gar nichts mehr. Denn er selbst hatte Niels Keller vom Stammtisch erzählt, in einer schwachen Minute, als der große Investigator mal wieder mit seinen guten Kontakten geprahlt hatte und Will auch etwas vorzeigen wollte. Das hatte man nun davon.
    »Niels, ich habe keine Ahnung, wovon du redest. Denk und schreib, was du willst.« Will Bastian drückte das Gespräch weg. Wenigstens wußte er jetzt, warum Keller einen armen Wurm wie ihn anrief – normalerweise ist ein gewesener Lokalredakteur, spezialisiert ausgerechnet auf Musik und Architektur, nicht gerade der natürliche Informant eines Gerichtsreporters. Aber wenn man ein alter Freund von Julius Wechsler ist – und dem vielleicht endlich mal was angehängt werden kann –, dann …
    Will fühlte sich mies.
     
    Das Wetter war umgeschlagen. Es nieselte, und Will schlug den Kragen seines Trenchcoats hoch gegen den eisigen Wind. Max Winters »Gattopardo« war spärlich beleuchtet, die Tische waren nicht eingedeckt, der Blumenschmuck weggeräumt. Will Bastian fühlte sich plötzlich wie zu Hause, ausgerechnet hier, in einem Restaurant, dessen Preise er sich schon lange nicht mehr leisten konnte: Das Flair des weithin bekannten und gerühmten Nobelrestaurants wirkte fadenscheinig. Es fiel auf, daß die Wände mal wieder gestrichen werden mußten. Und daß Tische und Stühle bessere Zeiten gesehen hatten. Auch Max sah müde aus, er trug keinen Anzug, sondern Jeans und einen ausgebeulten Pullover, keine Spur vom charmanten Impresario, der zu den Größen der Stadt beste Kontakte unterhielt und stets für Publicity sorgte, indem er Gutes tat.
    Sie kochen alle nur mit Wasser, dachte Will und empfand eine merkwürdige Befriedigung dabei, für die er sich anständigerweise gleich wieder schämte. Zumal er wußte, wie schwer es Max mit sich und der Welt gehabt hatte. Er war nach Marcus der menschenscheueste von ihnen allen gewesen und hatte sich passenderweise einen Beruf ausgesucht, in dem er täglich seine Schüchternheit überwinden mußte.
    Vielleicht war Max tatsächlich nicht mehr kreditwürdig? Das konnte natürlich bedeuten, daß Niels Kellers Anschuldigungen einen wahren Kern hatten. Marcus würde alles für seine Freunde tun, die er wie seine Familie liebte.
    Alles? Auch betrügen?
    Will sah das Gesicht des toten Freundes vor sich, so, wie er ausgesehen hatte, als er ihm vor fünfundzwanzig Jahren auf einer Party begegnete, bleich unter einem dunklen Lockenkopf, mit großen traurigen Augen hinter der Brille.
    Alles.
    Max winkte ihm zu. Julius präsidierte am Tisch vorne am Eingang vor der Bar, das Rotweinglas in der Hand, Thomas saß daneben. Nur Michel war noch nicht da.
    Als Max allen eingeschenkt hatte, hob der Dicke das Glas und sagte mit schon etwas schwerer Zunge: »Auf Marcus Saitz. Alter Freund und Sportskamerad.«
    Alle hoben ihr Glas und nickten einander ernst zu. »Auf Marcus. Obwohl ihm niemand erlaubt hat, einfach so den Abgang zu machen«, murmelte Max.
    »Ende Gelände. Aus die Maus.« Thomas sah ins Leere und grinste ausnahmsweise nicht, wofür Will dankbar war.
    »Weiß jemand was Neues?« Max rieb sich nervös die Nase.
    »Niels Keller hat angerufen.« Will sah, wie Julius die Augenbrauen zusammenschob. Er mochte Keller nicht, verständlicherweise. Einer wie der war der natürliche Feind jedes Machtmenschen, der seine Geheimnisse hatte. »Er hat was von

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