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Sauberer Abgang

Sauberer Abgang

Titel: Sauberer Abgang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
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Firma Pollux nicht unterschätzt hätte. Aber nun war Marcus Saitz tot und ihr Wissen nutzlos geworden. An einer vertrauensvollen Zusammenarbeit mit der Polizei war ihr nicht gelegen. Schlafende Hunde soll man nicht wecken.
    Dalia verstaute den Staubsauger im Abstellraum neben der Toilette und streifte die Handschuhe ab. Als sie wieder auf den Flur trat, ging Johanna Maurer an ihr vorbei. Die Chefin grüßte sie mit zusammengekniffenen Augen. Dalia grüßte freundlich lächelnd zurück. Du findest nichts, du falsche Ziege, dachte sie. Im Putzen war ihr niemand gewachsen.
    Sie lockerte ihren Pferdeschwanz und schickte einen letzten Gedanken zu Marcus Saitz. Der Mann war einem Herzinfarkt erlegen. Passierte in den besten Kreisen. Wenn man es recht bedenkt: alles in allem ein sauberer Abgang.

8
    »Ich hole die Brötchen, und wir frühstücken gemeinsam.« Will hatte Karls Stimme noch im Ohr. Aber von wegen: Der Alte ließ sich nicht blicken. Also würde er selbst die vier Stockwerke hinunterlaufen müssen, um Frühstück und die Zeitung zu holen. Er putzte sich mißmutig die Zähne. Im Licht der Neonröhre über dem Spiegelschrank, die das Badezimmer seiner Eltern schon immer so gemütlich wie eine Metzgerei gemacht hatte, sah er zum Kotzen aus. Schlechtgelaunt räumte er die Rasierutensilien seines Vaters beiseite und stellte den Behälter, in dem der Alte sein Gebiß aufbewahrte, in die äußerste Ecke der Ablage.
    In seinem Koffer suchte er vergebens nach Unterhosen. Hoffentlich hatte er nicht noch wichtigere Dinge einzupacken vergessen. Lieber kaufte er zwölf neue, als bei Vera aufzutauchen und sie um Herausgabe seiner Unterwäsche zu bitten. Wills Laune sank auf einen neuen Tiefpunkt, als er den Slip von gestern anzog. Dann ging er einkaufen – keine Brötchen, natürlich. Was Ordentliches.
    Der Grüneburgweg war eine echte Entschädigung für die Leipziger Straße. In einem Naturkostladen jenseits des Reuterwegs gab es hervorragendes Brot. Und der Metzger gegenüber hatte alles, was ein Frühstück lohnend machte. Will schulterte den Einkaufskorb, widerstand der Versuchung, bei Wein-Teufel ein paar vernünftige Flaschen zu kaufen, und nahm zu Hause zwei Stufen auf einmal. Als er außer Atem oben ankam, schnarrte das Mobiltelefon. Will guckte aufs Display, während er die Tüten in die Küche trug. Niels Keller rief an, der Gerichtsreporter. Ein Kollege. Ein ehemaliger Kollege, korrigierte sich Will. Was wollte die Speerspitze des investigativen Journalismus von ihm so früh am Morgen? Nichts, was nicht warten konnte. Will legte das Telefon neben die Kaffeemaschine und vergaß es dort.
    Die vormittägliche Sonne, die durch das hohe Küchenfenster fiel, hätte jeder Hausfrau das dringende Bedürfnis eingegeben, die Scheiben mal wieder zu putzen. In ihren Strahlen sah man die Staubkörnchen tanzen. Will deckte den Tisch und ging dann hinüber zu seinem Vater.
    Der Alte sah blaß aus um die Nase, aber wenigstens hatte er es mit Abscheu und Empörung von sich gewiesen, das Frühstück im Bett serviert zu bekommen. Will half seinem Vater in den Morgenmantel und stellte ihm die Puschen vor die Füße. Den angebotenen Arm lehnte Karl ab.
    Das Frühstück war insofern eine friedliche Angelegenheit, als Karl sich mit Inbrunst aufs Essen konzentrierte, was Will die Möglichkeit gab, als erster in die Zeitung zu gucken – bevor der Alte sie zerlegte. Oder gar daraus vorlas, wie er es früher zu tun pflegte, immer mit lauter, empörter Stimme und einer Schimpfkanonade auf alle, die er für schuldig hielt – also die Linken, die Juden, die Klerikalen und die Amerikaner. Heute sah Karl Bastian richtig friedlich aus, wie er sich mit spitzen Fingern sein Brot schmierte, die Tomatenscheiben in eßbare und nicht eßbare sortierte, erschreckend viel Zucker in den Milchkaffee rührte und andächtig kaute.
    Will entfaltete die Zeitung, den Lokalteil zuerst. Streit ums neue Stadion. Eine Glosse über das Hauptproblem aller Städter – die Hundekacke. Und, auf der ersten Seite ganz unten: »Tod im Bankhaus Löwe«. Er hielt die Luft an.
    »Was hast du? Ist dir nicht gut?« fragte der Alte, als er geräuschvoll wieder ausatmete.
    »Ich hab’s dir noch gar nicht gesagt. Marcus Saitz ist tot.«
    »Wer?«
    »Ein Freund.«
    »Unfall?«
    Will sah auf. Die Augen seines Vaters waren blank vor Neugier.
    »Herzinfarkt, wahrscheinlich.«
    Karl betrachtete das Knäckebrot, das er mit Käsescheiben und Tomatenschnitzen dekoriert hatte. »Tut

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