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Sauberer Abgang

Sauberer Abgang

Titel: Sauberer Abgang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
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sah sie erst, als sie die Laufmappe wutentbrannt auf den Boden geworfen hatte. »Das dürfte dich interessieren. Wg. Putz. Manfred Wenzel.«
    Was hatte Saitz mit der Putzfrauenaffäre zu tun? Sie wippte auf dem Schreibtischstuhl unschlüssig hin und her, bückte sich dann und holte die Mappe wieder hoch.
    Wahrscheinlich hatte Saitz ebenfalls Schmiergelder genommen, das paßte zu seinem Profil. Auch vom Putzunternehmen, das im Bankhaus Löwe tätig war? Die Pollux Facility Management GmbH, wenn sie sich richtig erinnerte. Der Name hatte nicht auf ihrer Liste gestanden – bislang hatte sie keinen Anhaltspunkt dafür, daß Pollux zu den Firmen gehörte, die osteuropäische Frauen ausbeuteten.
    Karen schlug die Mappe auf. Irgend jemand hatte Überstunden gemacht. Sie kannte den Namen der ermittelnden Beamten nicht – wahrscheinlich waren die beiden neu im Revier. Ihren Eifer würde man ihnen bald abgewöhnt haben. Schade eigentlich.
    Die Pollux GmbH war vor vierzehn Jahren gegründet worden, alleinige Teilhaberin: Johanna Maurer, geboren am 31. Januar 1960, unverheiratet, keine Kinder. Die Firma zahlte Tariflöhne, Schwarzarbeiter waren nicht entdeckt worden, die Türkinnen, Serbinnen und Kroaten, die dort arbeiteten, hatten eine gültige Arbeitserlaubnis.
    Also uninteressant.
    Karen klappte den Aktendeckel zu – und gleich wieder auf. Hinter dem Bericht über Pollux lag ein weiteres Blatt. Man hatte sich die Frau genauer angesehen, die Marcus Saitz gefunden hatte. Dalia Sonnenschein. Nicht aus Litauen oder aus Lettland. »Geboren 2. Juli 1974 in Dietzenbach. Mutter Margot S. Sekretärin. Vater Felix S. Steuerberater. Gewaltsamer Tod des Vaters am 3. November 1981. Man erkannte auf Notwehr. Bewährungsstrafe für Margot S.«
    Jetzt wußte sie, warum ihr der Name bekannt vorgekommen war. Sieben Jahre war die kleine Dalia gewesen zum Zeitpunkt des Todes des Vaters. Ihre Mutter saß im Untersuchungsgefängnis, Verwandte, die das Kind hätten aufnehmen können, gab es nicht. Karen war noch Studentin gewesen, als der Fall durch die Zeitungen ging. Im Seminar hatte man erbittert darüber gestritten, ob es moralisch zu rechtfertigen sei, einen gewalttätigen Mann in Selbstjustiz zu töten. Es war sogar die Rede davon gewesen, daß womöglich das Kind, nicht die Mutter, ursächlich für den Tod des Vaters war. Was machte das aus einer Siebenjährigen?
    »Dalia S. studierte nach dem Abitur Betriebswirtschaftslehre in Heidelberg und brach das Studium im Wintersemester 1996 ab. Seither wechselnde Beschäftigungen als Putzhilfe, letzte Festanstellungen u.a. in Unna-Königsborn, Alzenau, Grünberg, Buchholz, Bramsche.«
    Eine Putzfrau mit einem derartigen Mobilitätsradius war ihr noch nicht untergekommen. Karen schob den Aktenstapel zur Seite, legte die Beine auf den Schreibtisch und las weiter. Auch keine, die Betriebswirtschaft studiert hatte, und zwar immerhin bis zum 6. Semester. Mußte da nicht was hängengeblieben sein?
    »Bei der Staatsanwaltschaft Osnabrück ist eine Anzeige wegen Erpressung eines Geschäftsmannes aus Bramsche anhängig.« Es war etwas hängengeblieben.
    Karen legte die Aktenmappe behutsam oben auf den Stapel mit den dringenden Sachen, stand auf und ging zum Fenster. Du sollst keine Vorurteile haben, dachte sie. Zum Beispiel gegen Putzfrauen. Bloß weil eine Frau so tut, als habe sie ein Spatzenhirn, ist sie noch nicht dumm. Manfred Wenzel hatte vor Jahren eine Gruppe von polnischen Putzfrauen auffliegen lassen, die ihre Arbeitgeber ausspionierten, um deren Wohnungen dann von ihren Männern ausräumen zu lassen. Dumm war das nicht – jedenfalls nicht, bis eine der Frauen die Putzstelle ein wenig zu häufig gewechselt hatte und es irgendwann auffiel, daß immer dann, wenn sie gekündigt hatte, ein Einbruch stattfand.
    Dalia Sonnenschein. Eine Frau mit Köpfchen. Sie hatte zugegeben, im Zimmer von Marcus Saitz alles gründlich gesäubert zu haben, was als Spurenträger in Frage gekommen wäre. Vielleicht hatte sie dafür einen ganz anderen Grund als den, den sie alle angenommen hatten: nämlich, daß sie ein bißchen beschränkt war?
    Ihr Gespräch mit dem Kollegen von der Kripo war kurz. Sie waren sich einig, daß man Dalia Sonnenschein noch einiges zu fragen hatte, bevor sie das Verfahren Saitz einstellen konnten.
    Karen lehnte sich zurück und blickte aus dem Fenster. Über den Himmel trieben weiße Wolkenfetzen. Wahrscheinlich würde sie auch heute wieder bis in die Puppen am Schreibtisch sitzen. Aber

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