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Sauberer Abgang

Sauberer Abgang

Titel: Sauberer Abgang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
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zum Schluß ließ er sich zu einem Glas am Winzerausschank überreden. Zwei soignierte Frankfurter rückten an ihrem Stehtisch die Rotweingläser ein wenig zur Seite, damit Karl und Will die ihren dazustellen konnten. Hier standen überwiegend Menschen der Generation 50plus, der er sich mit Riesenschritten näherte und die das Geld und die Zeit hatten, sich schon am Nachmittag die Kante zu geben.
    Die Zeit hatte er schon heute.
    »Das machen wir jetzt öfter«, sagte Karl nach dem zweiten Schoppen.
    »Von deiner Rente«, sagte Will.
    »Wovon sonst?«
    Karl war nicht mehr nüchtern, und Will wurde melancholisch. Das Leben schien gurgelnd davonzurinnen und mit einem letzten Seufzer wegzusacken. Erst nach dem dritten Glas Weißburgunder hob sich seine Stimmung langsam wieder.

2
    Dalia Sonnenschein mochte keine Beamten. Die hatten nur Vorteile, wenn man sie heiraten wollte: sichere Pension, großzügige Krankenkasse, auch für Familienangehörige. Und deshalb war sie über Johanna Maurers Angebot, die Putzstelle zu wechseln, nur bedingt erfreut. Putzen bei den Frankfurter Staatsanwälten legte ja fast schon einen anständigen Lebenswandel nahe.
    Nicht, daß es keine Handhabe gegen Staatsdiener gäbe – im Gegenteil: Schon ein Hauch von Vorteilsnahme konnte sie den Beamtenstatus kosten. Aber vom Erpressungsspielraum her ging es in der freien Wirtschaft ergiebiger zu. Beamte verdienten einfach weniger, waren meistens geizig und wahrscheinlich auch nicht phantasiebegabt genug, um den Vorteil zu erkennen, der in der einfachen Maßnahme bestand, ein bißchen Geld für viel Stillschweigen zu zahlen.
    Sie musterte das Zimmer, in dem sie gerade stand. Zimmer 130. Hier hauste eine Staatsanwältin, Dr. Karen Stark, dem Türschild zufolge. Ein Sittenbild staatsanwaltlichen Diensteifers, dachte Dalia. Der Schreibtisch war völlig zugemüllt und es grenzte an ein Wunder, daß seine Besitzerin in diesem Chaos noch Platz gefunden hatte für eine Vase mit frischen Blumen. Wenigstens schien sie keine Kettenraucherin zu sein.
    Dalia näherte sich vorsichtig dem zentralen Möbelstück des Zimmers, das in diesem Zustand wenigstens nicht geputzt werden mußte, wollte man nicht eine womöglich geheiligte Ordnung zerstören. Auf der Tischplatte erhoben sich mehrere Haufen, deren Wichtigkeit man wahrscheinlich nach der relativen Nähe zum Schreibtischsessel bestimmen konnte. Vorne rechts lagen Akten und Laufmappen, hinten links Fachzeitschriften und Fotokopien, Kataloge und … Dalia hob mit spitzen Fingern die oberste Lage der Papierhalde hoch. Eine Frauenzeitschrift, zwei Jahre alt. Wahrscheinlich eine Nummer mit einer Diätempfehlung, das war so üblich bei Frauen.
    Der PC lief noch, das war ebenfalls üblich. Bei Frauen. Und wahrscheinlich würde man das Paßwort unter der Computertastatur finden. Tatsächlich. »Crime«! Wie einfallsreich.
    »Crime« also. Dalia bewegte die Maus und wartete, bis der Computer wieder hochgefahren war. Dann gab sie das Paßwort ein. Bingo. Das E-Mail-Programm enthielt einige interessante Unterordner – der eine hieß »Gunter«. Daß die Dame es nicht zu einem ordnungsgemäßen Ehemann und Kindern gebracht hatte, entnahm sie dem Fehlen von einschlägigen Fotografien neben dem Monitor. Also hatte sie einen Liebhaber. Obwohl Dalia normalerweise nur an den außerehelichen Beziehungen erpreßbarer Männer interessiert war, scheute sie sich nicht im geringsten, dem Liebesleben der Frau nachzuspionieren. Der Ordner »Gunter« war trostlos. Er schrieb spärlich, sie viel zu oft. Nachdem sie die dritte der E-Mail gelesen hatte, gab Dalia keinen Pfifferling mehr auf die Beziehung. Der Mann zog sich zurück, die Frau drehte am Rad – das war ein Spiel, das selten gut ging.
    Dalia schloß das E-Mail-Programm wieder. Liebe hatte sie von der Agenda gestrichen. Liebe war bestenfalls schnell vorbei, im schlimmsten Fall viel zu schmerzhaft. Der letzte Mann, der ihr nähergekommen war, ein studierter Aushilfskellner aus Fulda, war nach einiger Zeit türeschlagend gegangen, weil sie »die Zähne nicht auseinanderkriegte«, wie er sich ausdrückte. Er konnte ja nicht ahnen, daß die Männer, denen sie etwas zu sagen hatte, damit keineswegs glücklicher waren.
    Ob man wenigstens aus den Fällen etwas machen konnte, die so eine Staatsanwältin bearbeitete? Dalia öffnete einen der Aktendeckel. Sie erschrak, als sie sah, mit welchem Fall die Staatsanwältin befaßt war, fühlte sich ertappt, verfolgt, durchschaut. Bis sie

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