Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sauberer Abgang

Sauberer Abgang

Titel: Sauberer Abgang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
Vom Netzwerk:
aufgesetzt und nicht bemerkt, daß die Gesichtsmaske am Ohr noch feucht war. Nun hatte sie die Bescherung – sie guckte angeekelt auf ihr Mobiltelefon, das von einer bleigrauen Pampe verschmiert war. Und jetzt hatte der liebe Kollege Deitmer aufgelegt.
    Und was war mit Julius Wechsler? Hatte er sich darum gekümmert, wer im »Gattopardo« putzt? Konnte Deitmer mal ein einziges Mal tun, worum sie ihn bat?
    Karen warf die Decke von sich, die Lisamarie über ihre Füße gebreitet hatte, und rief Deitmer zurück. Daß Lisamarie vorwurfsvoll guckte, interessierte sie ebensowenig wie der seltsame Anblick, den sie bieten mußte, wie sie da stand: ohne Bluse, mit herabgelassenen BH-Trägern und einer porzellanartigen Substanz im Gesicht, die um ihren Mund herum in viele feine Risse zersprungen war.
    Deitmer hatte die Mobilbox eingeschaltet. Sie drückte den Ausknopf. Aber der Jagdinstinkt hatte sie wieder erfaßt. Und während Lisamarie sie zurück auf die Liege überredete, ihr mit heißen Tüchern das Gesicht säuberte, duftende Essenzen und Lotionen und zum Schluß ein leichtes Make-up auftrug, kreisten ihre Gedanken um eine völlig neue Idee. Erst, als sie wieder auf der Straße stand, fiel ihr auf, daß sie in der vergangenen Stunde nicht ein einziges Mal an Gunter gedacht hatte.
    Sie holte das Nokia aus der Jeanstasche, »1 Kurzmitteilung empfangen«, meldete das Display. Karen löste die Sperre. Eine SMS. Von Gunter. Idiotisch, wie ihr Herz klopfte.
    Sie öffnete die SMS.
    »Winter: Tod durch Herzinfarkt. Kein Hinweis auf Fremdverschulden. Gruß. Gunter.«
    Karen blieb stehen, mitten im Menschengewühl. Mit einem Mal gab es zwei Gründe, warum sie enttäuscht war: über die unpersönliche Mail von Gunter. Und über das Ende einer Theorie.

8
    Das letzte Zimmer im Gang. Plötzlich fühlte Dalia sich unendlich müde. Und dann begann auch noch der Staubsauger zu heulen statt zu saugen. Hoffentlich hatte er nichts Schlimmeres erwischt als ein Stückchen Bürokratie. Sie schaltete ihn aus und schaute in die Düse. Der Fetzen Stoff, der noch herausguckte, war nicht weiß, sondern dunkelrot mit weißem Spitzenbesatz. Vorsichtig zog sie daran. Der Damenslip war hauchzart, aber unversehrt.
    Ein Damenslip im Büro eines Staatsanwalts mit dem sprechenden Namen Hermano Ortiz-Soto de Ortega. Dalia kicherte unwillkürlich. Sie stellte sich einen rassigen Spanier mit pomadigen Haaren vor, der während seines Aktenstudiums zur Inspiration an einem Damenslip roch. Oder war das Ding nach dem Besuch einer Zeugin liegengeblieben? Sie hängte das Teil über die Schreibtischlampe. Es war ein eher angenehmer Fund, verglichen mit gebrauchten Kondomen im Papierkorb. Oder mit blutigen Damenbinden.
    Oder mit Leichen.
    »Er meint es nicht so, Kleines«, hörte sie ihre Mutter sagen, deren Nase blutete, das rechte Auge war geschwollen. Dalia hatte ihre Schreie gehört, stundenlang, glaubte sie, bis sie es nicht mehr aushielt und ins Zimmer gerannt war. Dort stand er, über Mama gebeugt, die Fäuste schwingend. Sie war auf ihn zugestürmt und hatte auf ihn eingeschlagen. Er hatte sie abgeschüttelt wie eine lästige Fliege.
    »Er kann nichts dafür, glaub mir, Kleines.« Mama sagte das immer. Sie sagte es seit Jahren.
    Die Erinnerung an ihre Mutter war die beste Versicherung gegen ein ungebetenes Gefühl wie Liebe – zu einem Mann. Sie verbot sich den Gedanken an Will Bastian. Sie war rechtzeitig gegangen, bevor er auf Ideen kommen konnte. Fehlte noch, daß ausgerechnet sie jetzt sentimental wurde. Männer bekamen ihr nicht. Und sie – bekam Männern nicht. Auch nicht Journalisten mit graublauen Augen und dichtem Haarschopf.
    Sie saugte die letzten Meter Teppichboden, kippte das Fenster und verließ den Raum. Die Toiletten kamen zum Schluß, wie immer. Auch bei der Frankfurter Staatsanwaltschaft schafften es die meisten Frauen nicht, ihre Binden und Tampons ordnungsgemäß in den dafür vorgesehenen Tüten unterzubringen, das meiste landete unverpackt im Abfalleimer. Aber Dalia war schlimmeres gewohnt.
    Sie versorgte die Toiletten mit Klopapier, füllte die Spender für die Papierhandtücher auf und verstaute die Putzutensilien in der Kammer. Dann zog sie sich um und ging zum Ausgang.
    Sie hoffte, daß er wieder auf sie wartete, da draußen, mit hochgeschlagenem Mantelkragen, eine Zigarette im Mund.
    Sie hoffte, ihn nie wiederzusehen.
    Ein unfreundlicher Aprilwind blies durch die Porzellanhofstraße. Sie fröstelte und zögerte unentschlossen,

Weitere Kostenlose Bücher