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Sauberer Abgang

Sauberer Abgang

Titel: Sauberer Abgang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
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Glas kreisen. »Herzinfarkt? Bist du sicher?«
    Sie zuckte mit den Schultern. »So wurde es mir gesagt.«
    Wenn das stimmte … Wenn es stimmte, daß Max nicht ermordet worden war – was hieß das? Hatten sie sich alle in eine Paranoia hineingeredet? Hing das alles gar nicht mit Leo zusammen? Aber was war mit den Pentakeln, die Dalia und er gefunden hatten?
    Er mußte mit Leo sprechen, das war das einzige, was weiterbrachte.
    »Es heißt, Leo ist zurück.«
    Sie sah ihn interessiert an. »Ach – ja?«
    »Hast du keinen Kontakt mehr zu ihm?«
    »Schon«, sagte sie gedehnt und leerte ihr Glas.
    »Und – wo ist er?«
    »Warum willst du das wissen?« Ihre Stimme wurde scharf. »Willst du dich bei ihm entschuldigen?«
    »Jenny – Marcus und Thomas sind ermordet worden, und ich frage mich …«
    »Was?« Ihre Augen glitzerten. »Ob Leo ihnen den Hals umgedreht hat?« Sie lachte. »Wenn ich darüber nachdenke – man könnte ihm das nachsehen, oder? Schließlich hat ihn einer von euch damals verraten – verraten und verkauft!«
    »Du verstehst mich falsch. Darum geht es doch gar nicht.« Will hörte sich zu und merkte, daß er sich rauszureden versuchte. Denn sie hatte ja recht – genau das hatten sie alle gedacht. Und wenn auch Max ermordet worden wäre, hätte niemand mehr die Spur eines Zweifels.
    »Aber das paßt zu euch, was ihr Leo unterstellt. Ihr habt euch all die Jahre nicht die Bohne um ihn gekümmert und jetzt habt ihr Angst vor ihm. Geschieht euch recht.«
    Jenny lächelte nicht mehr. Sie schob ihr Gesicht ganz nah an seines heran. Er konnte die harten Linien darin erkennen, in denen sich das Make-up abgesetzt hatte. Er las Spott in ihren Augen. Verachtung. Und noch etwas anderes, das er nicht gleich begriff.
    Und dann legte sie ihm die Hand auf den Arm und begann völlig unerwartet zu lächeln.
    »Frag ihn doch selbst. Ich rufe dich an, und wir verabreden uns mit ihm, in Ordnung?«
    Er nickte. Dann leerte auch er sein Glas. Er wollte weg hier, weg von ihr. Sie war ihm unheimlich.

10
    Die Kerzen waren fast heruntergebrannt. Karen setzte sich auf und strich sich die Haare aus dem Gesicht. Gunter hatte den Handrücken über die Augen gelegt, wie es Katzen tun, wenn sie am hellichten Tag schlafen. Sie betrachtete ihn mit einer Zärtlichkeit, die ihr die Tränen in die Augen trieb.
    Dann deckte sie seine nackte weiße Schulter mit der Bettdecke zu und stand auf. Er seufzte im Schlaf.
    In der Küche holte sie eine Flasche Mineralwasser aus dem Kühlschrank, nahm ein Glas aus dem Regal und ging wieder hinüber zum Schlafzimmer. Gunter hatte sich umgedreht und lag nun auf dem Rücken, die Arme ausgebreitet und hinter dem Kopf verschränkt. Sie sehnte sich danach, ihm mit der Zunge den Hals entlangzufahren, seinen salzigen Schweiß zu schmecken, und sie dann nach oben wandern zu lassen, bis zum Ohr, sanft darüber zu hauchen und dann mit der Zungenspitze die Ohrmuschel zu berühren, nur ganz zart, wie ein Atemzug. Sie bildete sich ein, seine Augenlider flattern zu sehen. Sie küßte ihn auf die Lippen und hörte ihn wieder seufzen.
    Dann ging sie auf den Balkon. Es war Frühling geworden, von einem Tag auf den anderen. Die Luft war satt von Gerüchen. Von Flieder? Jasmin? Oder einfach nur von so etwas Schlichtem wie Glück, das alles duften ließ, sogar die Achselhöhlen eines Mannes?
    »Es ist doch so einfach«, hatte er geflüstert, als sie tief ineinander versunken lagen.
    Wenn es doch so einfach wäre.
    Sie sah in den Himmel, der sich langsam rötete. Und dann hörte sie es rascheln. Zuerst kam A-Hörnchen, das Eichhorn mit dem roten Fell. Es stürzte sich zielstrebig auf die Erdnüsse, die sie gestern abend ausgelegt hatte. B-Hörnchen folgte.
    Sie nahmen keine Notiz von ihr, die beiden, griffen sich Nuß für Nuß, knackten sie und zermalmten den Kern. Karen sah gerührt zu, wie die kleinen Kiefer mahlten. So, in etwa, mußte das Paradies aussehen: Gunter, schlafend, einmal nicht unterwegs und auf der Flucht, und zwei Tiere, die furchtlos nahmen, was sie ihnen geben konnte.
    Wenn sie das Talent dazu hätte, glücklich zu sein, dann wäre sie es jetzt.
    Das einzige, was störte, war der Gedanke an die Mordserie, die keine war. Daß Max Winter eines natürlichen Todes gestorben war, störte ihre Theorie erheblich. Aber welche Theorie überhaupt? Sie nahm einen Schluck aus dem Wasserglas und schaute dem Wolkenschleier nach, der die schmale Mondsichel umflorte.
    Niels Keller, dachte sie. Er hatte ihr einreden

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