Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sauberer Abgang

Sauberer Abgang

Titel: Sauberer Abgang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
Vom Netzwerk:
als sie Johanna Maurers Stimme hinter sich hörte. »Schon fertig?«
    Dalia drehte sich um. Die Maurer lächelte ihr Haifischlächeln. Dalia hätte am liebsten »Was glauben Sie denn?« gesagt, aber sie nickte nur.
    »Haben Sie sich eigentlich mein Angebot mal überlegt?«
    »Welches Angebot?« Dalia hörte sich zu. Sie klang schäfisch.
    »Sie wissen schon«, sagte die Maurer. »Denken Sie in Ruhe darüber nach.« Sie lächelte wieder und ging Richtung Zeil. Dalia sah ihr ohne Bedauern nach, wartete eine Weile und überquerte erst dann die Straße, langsam. Sie wollte ihm noch eine Chance geben.
    Sie spürte ihr Herz klopfen, als sie einen Mann im Mantel um die Ecke biegen sah. Aber er war es nicht. Will Bastian war nicht gekommen.

9
    Will stockte der Atem. Die Frau, mit der Dalia vor dem Justizgebäude stand … Sie hatte die gleiche Figur, das klassische Profil, das lange blonde Haar, das sie sich jetzt aus dem Gesicht strich, mit einer Geste, die ihm noch immer vertraut war nach all den Jahren. Sie war älter geworden, gewiß – aber sie sah wie Jenny aus. Es mußte Jenny sein.
    Fast wäre er hinübergegangen, um beide zu begrüßen, er hatte Jenny ja ausfindig machen sollen, und das war ihm schneller gelungen als er gedacht hätte – aber etwas hielt ihn zurück: Dalia und die Frage, was ausgerechnet sie mit jemandem wie Jenny zu tun hatte.
    Er spürte die Enttäuschung in sich aufsteigen wie Sodbrennen, als er sie da stehen sah, die kleine Prinzessin mit den dunklen Locken, neben der großen blonden Frau. Jenny. Jenny Willard. Der einzige Kontakt zu Leo. Wenn Dalia mit Jenny vertraut war – kannte sie dann auch Leo? Hatte sie für ihn Marcus und Thomas ausspioniert? War sie Jennys Zuträgerin? Oder war sie womöglich selbst die Mörderin?
    Unmöglich, dachte er. Nichts ist unmöglich, dachte es zurück.
    Er zog sich in den Hauseingang zurück, vor dem er auf sie hatte warten wollen. Die beiden Frauen verabschiedeten sich, die Blonde, die Jenny sein mußte, ging an ihm vorbei. Dalia schien zu zögern. Wartete sie auf ihn?
    Es tat ihm weh, aber er rührte sich nicht. Er mußte mit Jenny reden.
    Als Dalia endlich gegangen war, lief er durch die schmale Gasse hinter dem Justizgebäude hinüber zur Kurt-Schumacher-Allee. Er sah Jenny sofort, sie stand noch an der Ampel, ihr Haar leuchtete unter einer Straßenlaterne. Will ging schneller. Als sie sich umdrehte, stockte ihm der Atem. Ihr Gesicht war eine starre Maske unter dem Lampenlicht, sie erinnerte ihn an eine Rachegöttin, die nichts vergaß und nichts verzieh. Aber dann lächelte sie, als sie ihn sah, und jetzt gab es keinen Zweifel mehr. Es war Jenny.
    »Will!« Sie umarmte ihn, küßte ihn rechts und links, als ob sie sich gestern erst gesehen hätten und nicht zuletzt vor fünfundzwanzig Jahren. »Was für ein Zufall! In welche Richtung gehst du?«
    Er bot an, sie zu begleiten. Sie hakte sich bei ihm unter, und es kostete ihn einige Mühe, sich ihr nicht gleich wieder zu entziehen.
    »Du bist nicht mehr bei der Zeitung? Schade«, sagte sie, nachdem er die letzten fünfundzwanzig Jahre seines Lebens im Schnelldurchgang wiedergegeben hatte. Auf seine Frage nach ihrem Beruf murmelte sie etwas von einem kleinen Unternehmen, das sie leite. Er fragte nicht weiter. Er wollte etwas anderes wissen.
    Sie war noch immer schön, das ja – auch wenn ihr Haar nicht mehr so seidig glänzte und die gebräunte Haut ein bißchen nach gegerbtem Leder aussah. Doch noch immer störte ihn etwas an ihr, an ihrem Gang, an ihrer Stimme. Sie wirkte kalt. Noch kälter als früher.
    Sie landeten im Künstlerkeller am Dominikanerkloster, wo man auch nach Mitternacht noch einlaufen konnte, und setzten sich an die Theke. Nach dem ersten Glas Riesling entspannten sich ihre Züge.
    »Du hast es vielleicht mitgekriegt …«, sagte er leise.
    »Ich hab es in der Zeitung gelesen. Che und Marcus.« Sie riß die blauen Augen auf, eine gespielte Betroffenheit, die nicht zu ihr paßte. »Schlimm.«
    Schlimm? dachte Will. Wie man’s nimmt. Sie hat immerhin mit beiden was gehabt.
    »Und Max? Du hast mit ihm geredet, hat er mir erzählt?«
    Jenny lächelte. »Ich habe einen Tisch im ›Gattopardo‹ reservieren wollen und hatte ihn an der Strippe. Schade, daß er tot ist.«
    Will erstarrte. Woher wußte sie das?
    »Herzinfarkt, sagen seine Angestellten. Kein Wunder. Er arbeitete wahrscheinlich zu viel.« Jenny seufzte und lächelte ihn dann wieder an. »Wie wir alle.«
    Will ließ den Wein im

Weitere Kostenlose Bücher