Saufit: Von einem, der auszog, nie wieder krank zu werden (German Edition)
Chardonnay auf weniger zuckerhaltige Rebsorten wie etwa Sauvignon Blanc umzusteigen. Und sie weisen auf Studien hin, die das Suchtpotential von Zucker belegen. Er hat im Gehirn dieselbe Wirkung wie Kokain.
Mein Lieblings-Zuckerfrustfaktor ist die Theorie, dass allein schon Gedanken an etwas Süßes gesundheitsschädlich sein könnten. Wie Taubes in einem Artikel erklärt, lösen sie nämlich einen Pawlowschen Reflex aus: Der Körper produziert verstärkt Speichel, Magensaft und in ungesundem Maße auch Insulin. Wenn ich wirklich zum gesündesten Menschen auf Erden werden will, muss ich mich strikt weigern, mit meinen Kindern Charlie und die Schokoladenfabrik anzuschauen.
Wie bei allen strittigen Ernährungsfragen zeichnet sich auch die Zuckerdebatte durch eine erdrückende Beweislust aus: Obgleich die Wortführer einander munter mit Argumenten bombardieren, bleibt die Lage undurchsichtig. Ich vermute, dass Zucker schädlicher ist, als wir bisher gedacht haben. Weshalb ich in den nächsten zwei Wochen völlig auf ihn verzichten werde. Keine Säfte, kein Müsli, nichts, was auf das ominöse Suffix »-ose« endet.
Diese selbst auferlegte Fastenzeit wird mir ganz schön schwerfallen. Als ich Taubes davon erzähle, empfiehlt er mir den Strategieklassiker »Aus den Augen, aus dem Sinn«. Ich soll alle Süßwaren aus unserem Haushalt entfernen: »Der völlige Verzicht auf industriell verarbeitete Kohlenhydrate und Süßigkeiten ist wahrscheinlich einfacher als der Versuch, seine Zuckerleidenschaft auf Sparflamme zurückzufahren.« Doch Taubes hat kleine Kinder, also kommt diese Radikalkur für ihn derzeit nicht in Frage. Und für mich auch nicht.
Es fängt schon bei den getrockneten Mangos an. Meine Kinder dürfen nach dem Mittagessen ein paar Spalten davon essen. Aber ich bin ja auch süchtig nach dem Zeug und verputze locker bis zu 20 Scheibchen täglich.
Getrocknete Mango hat einen Anstrich von Gesundkost; deshalb hatte ich sie ja auch ursprünglich zum Familienleckerli erhoben. Doch genau genommen sind sie nichts anderes als Snickers, die an Bäumen wachsen. Sie spülen mir tagtäglich 60 Gramm Zucker ins Blut – so viel wie 15 Teelöffel weißen Haushaltszuckers.
Dennoch wurde ich hier, wie sich im Laufe des zweiwöchigen Experiments herausstellte, von meiner Willenskraft im Stich gelassen. Ich probierte mehrere Strategien aus, um von den Mangos loszukommen. Zunächst stopfte ich sie auf dem obersten Küchenregal hinter ein Tablett in der Hoffnung, sie dort zu vergessen, wenn ich sie nicht mehr vor Augen habe. Aber wissen Sie was? Ich habe sie wiedergefunden.
Also packte ich die Mangospalten um, jede einzelne separat in eine brieftaschengroße Plastiktüte. Eine Weile funktionierte diese Strategie tatsächlich, denn es behagte mir nicht, Tag für Tag 15 Plastiktüten öffnen zu müssen, um an 15 Mangospalten heranzukommen. Doch irgendwann wurde mir der Zeitaufwand für diese Aktion zu viel, ganz zu schweigen vom Verbrauch an Plastiktüten.
Bevor ich Richtung Mangopackung in die Küche trottete, schaute ich mir manchmal das Foto vom alten A. J. an. Soll ich ihm das wirklich antun?, fragte ich mich. Aber ich war mir sicher, dass er mir verzeihen würde. Ganz allgemein habe ich inzwischen festgestellt, dass der alte A. J. sich besser dazu eignet, mich zu Dingen zu motivieren – ins Fitness-Studio zu gehen, aufs Laufband zu springen, eine Gurke zu essen –, als dazu, mich von Fehltritten abzuhalten.
Trotzdem konnte ich neulich den entscheidenden Durchbruch erzielen. Im Radio hörte ich in der genialen Wissenschaftssendung Radiolab einen Beitrag über schlechte Gewohnheiten. In einem Interview zum Thema kam Thomas Schelling zu Wort – der Ökonom und Nobelpreisträger, der die Egonomics-Theorie entwickelte. Sie wissen schon, das Konzept der zwei Selbsts – dem gegenwärtigen und dem zukünftigen –, die häufig miteinander im Clinch liegen.
Schelling jedenfalls erzählte in dem Interview von einer faszinierenden Strategie, sich das Rauchen abzugewöhnen. Sofort kam mir der Gedanke, mich mit ihrer Hilfe erfolgreich zum Zuckerabstinenzler zu wandeln.
Als Julie nach Hause kam, bat ich sie um einen Gefallen.
»Wenn ich diesen Monat noch eine einzige Spalte getrocknete Mango esse, sei doch bitte so nett und überweise von meinem Konto 1000 Dollar an die American Nazi Party.«
»An die Nazi-Partei? Warum nicht an Oxfam?«
»Nein, ich brauche etwas ganz Abschreckendes, etwas, das mich wirklich krank macht, wenn
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