Saufit: Von einem, der auszog, nie wieder krank zu werden (German Edition)
insgesamt eine Dreiviertelstunde, wobei ich die meiste Zeit für das Spülen der unglaublich vielen Einzelteile benötige. Aber Marti hatte mich vorgewarnt, dass Rohkost erstaunlich zeitaufwendig ist. Auf den ersten Blick könnte man ja vermuten, dass es ein Zeitgewinn ist, nicht mehr zu kochen. Aber das Gegenteil ist der Fall.
Und Entsaften ist noch mikrowellenschnell im Vergleich zu einer weiteren Rohkost-Technik: dem Trocknen. Neulich wurde mir mein Dehydrator geliefert, ein schwarzer Kasten von der Größe einer Klimaanlage mit höhenverstellbaren Einlegeböden. In Rohkostkreisen ist es verpönt, Nahrungsmittel auf mehr als 40 Grad zu erhitzen, weil dadurch angeblich die Enzyme zerstört werden. Also bepustet der Dehydrador das Trockengut stunden- und manchmal tagelang mit warmer Luft. Temperatur und Intensität des Gebläses erinnern mich an Hundeatem. Stellen Sie sich einfach vor, ein Schäferhund würde ein Wochenende lang Ihr Essen behecheln.
Inzwischen habe ich Äpfel, Orangen, Karotten, Erdbeeren und Heidelbeeren zu ledrigen Happen getrocknet. Meine Familie fand sie gar nicht so schlecht. Obst- und Gemüsetrocknung dauert ewig – aber wenigstens kann man dabei kaum etwas falsch machen.
Nach Abschluss des zweiwöchigen Entsaftungs- und Trocknungs-Experiments hier nun meine Bilanz. Positiv zu vermerken: Ich fühle mich leichter und reiner. Und ich habe entdeckt, dass Rohkost – sofern sie ansprechend zubereitet wird – lecker schmecken kann. Stunde um Stunde habe ich auf Rohkost-Websites verbracht und mir einschlägige Rezepte heruntergeladen. (Und nebenbei Rohköstlerhumor kennengelernt: »Kinder, kommt rein, das Essen wird welk!« – »Wie nennt man einen dicken Veganer? – Biotonne.«)
Negativ zu vermerken: Ich habe ständig Hunger, und allmählich sehe ich ziemlich ausgemergelt aus. »Was ist denn mit dir los, du siehst ja aus wie ein Manorexiker!«, sagte neulich ein Freund von mir. Also ich weiß nicht, wie ein magersüchtiger Jüngling sehe ich nun wirklich nicht aus. Aber im Laufe des Selbstversuchs habe ich immerhin knapp anderthalb Kilo abgenommen. (Falls Sie also Figurprobleme in den Griff bekommen wollen und mit beinharter Selbstdisziplin gesegnet sind, sollten Sie unbedingt Rohkost in Erwägung ziehen.)
Sonst noch erwähnenswert: Ich war ständig ein bisschen benommen und fühlte mich wie benebelt. Und wo Sie schon explizit nachfragen: Ja, es waren die zwei blähungsreichsten Wochen meines Lebens. Ich erwog ernsthaft, vielleicht doch Dr. Gottesmans furzveredelnde Dienste in Anspruch zu nehmen.
Marti wird mich umbringen, wenn sie liest, was ich jetzt schreibe, aber Tatsache ist: Es gibt nicht sehr viele wissenschaftlich fundierte Belege für den besonderen Nutzen rohkostbasierter Ernährung. Sehr vieles spricht für pflanzliche Ernährung. Dass rohe Pflanzen gesünder sind als gegarte Pflanzen, ist hingegen bisher nicht bewiesen.
Doch eines steht fest: Rohkost ist, jedenfalls sofern man auf ausreichende Proteinzufuhr achtet und Vitamin B12-Nahrungsergänzungsmittel einnimmt – allemal besser als die typisch amerikanische, extrem fett- und zuckerlastige Ernährung, die meine Tante Marti als S. A. D. (Standard American Diet) bezeichnet. Andererseits ist vermutlich sogar der ausschließliche Verzehr von Asbest-Sandwiches gesünder als die Standard American Diet.
Der Krieg gegen die Kohlenhydrate
Am anderen Ende des Ernährungsspektrums sind kohlenhydratarme, proteinreiche Ernährungsprinzipien wie etwa die Atkins-Kost und die Paläo-Ernährung angesiedelt. Bevor ich eines davon ausprobiere, möchte ich John Durant ein paar Fragen stellen, dem klugen Caveman, den ich bei meinem Steinzeitmenschen-Work-out kennenlernte. Er ist einverstanden und schlägt ein Treffen in einem koreanischen Grillrestaurant in Midtown vor.
Nur für den Fall, dass Sie noch nie in einem koreanischen Grillrestaurant waren: Man bereitet sein Essen dort selbst zu, auf einem etwa Frisbee-großen Grill in der Tischmitte. Fleisch und Feuer. Ziemlich steinzeitmäßig, jedenfalls abgesehen von den Kellnern, den Mineralwasserflaschen und den nach Geschlechtern getrennten Toiletten.
Durant ist ein attraktiver Paläo mit langem Haar, das er manchmal zum Pferdeschwanz bindet, und mit einem sorgfältig gestutzten Bart. Er arbeitet für ein Internet-Start-up-Unternehmen – ein Job, den er später aufgeben wird, um, wie er es formulierte, »hauptberuflich Caveman zu werden« und Zeit genug für die Verwirklichung eines
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