Saufit: Von einem, der auszog, nie wieder krank zu werden (German Edition)
kümmern. Hautkrebs ist die weltweit häufigste Krebsart. An ihr erkranken laut der American Cancer Society allein in den USA jährlich zwei Millionen Menschen. Vergleichsweise harmlos, aber doch ein unangenehmer Fakt: Wie der Bierbauch-Biker von der Penn Station bezeugen kann, gibt Ihre Haut Ihren Mitmenschen schonungslos Auskunft über Ihr Alter. Ich erkläre die nächsten vier Wochen daher hiermit offiziell zum Monat der Haut.
Geht glatt
Welche Hautpflegeprodukte soll ich bloß anwenden? Die Hautpflegeindustrie macht jährlich einen Umsatz von 43 Milliarden Dollar; Scharlatanerie und schöner Schein sind erstaunlich weit verbreitet. Der Mediziner und Journalist Dr. Ben Goldacre nimmt in diesem Zusammenhang in seinem bereits erwähnten Buch Die Wissenschaftslüge kein Blatt vor den Mund. Er prangert Hersteller an, die pseudo wissenschaftliche Bezeichnungen wie »speziell aufbereitete Lachsrogen- DNS « erfinden. Wäre die menschliche Haut tatsächlich dazu in der Lage, Lachsrogen- DNS aufzunehmen, so Goldacre, würde sie wahrscheinlich zeitnah Schuppen bilden. Was natürlich durchaus das Gefallen des einen oder anderen besonders veranlagten Zeitgenossen erregen könnte.
Die Angebote auf dem Hautpflegesektor sind schwindelerregend groß. Doch sofern man keine richtiggehenden Hautprobleme hat, erfüllt laut Goldacre mehr oder weniger jede Feuchtigkeitscreme ihren Zweck. Also benutze ich derzeit Julies Lotion aus dem Supermarkt.
Falten hingegen sind ein ganz anderes Thema. Von den Dutzenden »Anti-Aging«-Wirkstoffen auf dem Markt sind nur einige wenige tatsächlich nutzbringend. Der verbreitetste ist Tretinoin, besser bekannt als Vitamin-A-Säure oder Retinsäure. Sie hemmt den Abbau von Kollagen, das die Haut elastisch hält. Darüber hinaus ist sie sogar möglicherweise nicht nur kosmetisch, sondern sogar medizinisch sinnvoll: Laut New York Times wird Retinsäure auch bei der Behandlung von Hautkrebsvorstufen eingesetzt. Entsprechende Studien konnten nachweisen, dass bösartige Zellveränderungen innerhalb von zwei Jahren nach Behandlungsbeginn verschwanden.
Auf meine Bitte hin verschrieb mein Hautarzt mir eine Tube Vitamin-A-Creme (Retin-A-Creme). Das Zeug ist unglaublich teuer, 80 Dollar für gerade mal 50 Gramm. Ich reichte die Quittung bei meiner Krankenkasse ein, nur damit die dortigen Mitarbeiter mal so richtig lachen können.
Dann begann ich, meine Stirn- und Augenpartie regelmäßig mit der zähflüssigen weißen Creme einzureiben. Behandlungserfolg nach einer Woche: gleich null. Nach zwei Wochen: gleich null. Nach drei Wochen: Tut sich da was? Nach vier Wochen: Ja, da tut sich eindeutig was.
Die Krähenfüße um meine Augen bleiben unverändert – aber die kleinen Fältchen verschwinden allmählich, die Haut glättet sich wie ein Luftballon, der langsam aufgeblasen wird.
Ein Placebo-Effekt ist das mit Sicherheit nicht. Ich frage Julie.
»Du siehst jünger aus«, sagt sie. »Ist ja echt unheimlich.«
»Wenn du willst, darfst du die Creme gerne mitbenutzen.«
»Wieso sagst du das?«, fragt sie. »Sehe ich so aus, als hätte ich sie nötig?«
Au weia. Spontan fällt mir ein, wie Joe Pesci in Goodfellas »Was heißt hier ›ich bin komisch‹?« fragt. »Meinst du etwa, ich bin komisch? Amüsierst du dich über mich?« Bei solchen Fragen kann man nur verlieren. Egal wie heftig man zurückrudert – am Ende wird einem doch mit einer Glock 19 in den Fuß geschossen, wenn auch nur im übertragenen Sinne.
Julie griff dann trotzdem zu meiner Creme. Doch sie vertrug sie nicht. Ihre Haut wurde davon ganz rot und aufgedunsen. »Du musst dich eben dran gewöhnen, dass deine Frau alt und faltig wird«, sagte sie und drückte mir die Tube in die Hand.
Ich hingegen klopfte die Creme weiterhin jeden Abend in die Haut ein und schaute meinen Gesichtsfältchen dabei zu, wie sie allmählich verschwanden, ganz wie ein Fußabdruck im Sand allmählich von der aufkommenden Flut verwischt wird. Ich verbrachte peinlich viel Zeit vor dem Spiegel und studierte meine Augenpartie. Nie hätte ich gedacht, dass ich mir einmal so viele Gedanken um meine Augenfältchen machen würde. Was soll’s?, hatte ich mir bis dato immer gesagt. Sie verleihen dem Gesicht einen Ausdruck von Reife, oder etwa nicht?
Trotzdem ist es faszinierend, einen derart deutlichen Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung beobachten zu können. Creme drauf – Falten weg. Das ist wie Photoshop, nur im richtigen Leben.
Sodann unterzog ich alle
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