Saufit: Von einem, der auszog, nie wieder krank zu werden (German Edition)
ich nur daran denke.«
»Ach so. Okay«, sagte Julie.
Sie verstand schnell, worum es ging. Sie füllte einen Scheck zugunsten der American Nazi Party aus, unterzeichnete ihn und schrieb »Spende von A. J. Jacobs« in die Zeile für den Verwendungszweck. Dann wedelte sie damit vor meiner Nase herum. »Keine Mangospalten mehr. Auch wenn du noch so viel Lust drauf hast.«
Diese Strategie wird »Odysseus-Vertrag« genannt: Der clevere Held der Odyssee befahl seinen Seeleuten, ihn am Mast festzubinden. So hielt er sich erfolgreich davon ab, kopfüber von Bord zu springen, um den verführerischen Sirenengesängen zu folgen.
Und die Moral von der Geschicht’: Vertrauen Sie Ihrem zukünftigen Selbst lieber nicht allzu sehr. Es hat schließlich auch so seine Schwächen.
Odysseus sei Dank! Denn eines kann ich Ihnen sagen: Seine Strategie gehört zum Nützlichsten, was mir jemals untergekommen ist. Seit zwei Wochen habe ich nun schon keine einzige getrocknete Mangospalte mehr gegessen.
Ich öffne zwar noch den Schrank, sehe die Packung da liegen und muss ein paar Tropfen Pawlowsche Spucke runterschlucken. Doch unter keinen Umständen werde ich mir auch nur eine davon in den Mund stecken. Es ist so, als sei in mir ein Schalter umgelegt worden. Ich kann mir noch nicht einmal mehr vorstellen, eine Mangospalte zu essen. Die Folgen wären schlichtweg zu grauenhaft. Nie im Leben werde ich ein paar neue Hakenkreuzfahnen und Springerstiefel finanzieren.
Das Ganze ist ungefähr so, als liebte ich eine Frau, die sich als meine lang verschollene Schwester entpuppt. Allein die Vorstellung, sie zu küssen, wäre mir auf einmal unerträglich.
Inzwischen sind zwei Wochen vergangen, und ich habe keine einzige Mangospalte gegessen. Ich bin ein Held.
Es ist in jeder Hinsicht irrsinnig schwer, sich völlig zuckerfrei zu ernähren, also werde ich diese Diät auch nicht länger als geplant durchhalten. Doch schon nach zwei Wochen Zuckerfasten ging es mir besser. Ich fühlte mich tatkräftiger, ich hatte weniger Schmerzen und Wehwehchen, und im Fitness-Studio war ich belastbarer. Wobei natürlich auch hier der Placebo-Effekt nicht unterschätzt werden darf. Auf alle Fälle bin ich dank meines kleinen Selbstexperiments sehr viel zuckerfeindlicher geworden.
Andererseits ist mein Geist zwar willig, doch mein Fleisch ist schwach. Denn nach Ablauf der zwei Wochen stieg ich um auf den Zuckerersatz Stevia. Zuckergegner halten ihn für eine Ersatzbefriedigung, noch dazu eine gefährliche, weil er zu Insulinresistenz führen könne. Im Allgemeinen jedoch gilt Stevia als der gesundheitsverträglichste Zuckerersatz. Im Handel erhältlich sind sowohl die Blätter der Steviapflanze als auch Stevia in Pulver- und flüssiger Form. Es schmeckt nach Vanille, und so genieße ich neuerdings Hafergrütze mit Vanillearoma und Broccolipüree, das geschmacklich ein bisschen an Eiscreme erinnert.
Höhepunkt meines persönlichen Aufstands gegen König Zucker ist der Beschluss, Zuckerhaltiges nicht nur aus meinem Speiseplan, sondern auch aus meiner Sprache zu verbannen. Bisher war »Süße« mein Lieblingskosename für Julie, aber das kommt im Licht meiner neuen Erkenntnisse geradezu einer Zuckerglorifizierung gleich, und das geht natürlich gar nicht mehr. »Leckerschmecker« wäre angenehm zuckerneutral gewesen, schied jedoch als Alternative aus, da zu unromantisch. Am Ende entschied ich mich für »Möhrchen«. Auch nicht wirklich poetisch, aber immerhin echt gesund. Julie war einverstanden.
Check-up: Monat 16
Gewicht: 71,2 kg (nach Rohkost-Experiment sogar nur
noch 69,9 kg)
Bisher insgesamt beim Schreiben zurückgelegte Strecke:
1012 Meilen (Plansoll überschritten)
In diesem Monat verspeiste Mahlzeiten mit Pak Choi: 12
1968–2009 verspeiste Mahlzeiten mit Pak Choi: 0
Schrittzahl, Tagesrekord: 21 340 (nach Tribeca gelaufen plus intensiver Hausputz)
Diesen Monat begleitete ich meine Eltern einmal zu ihren jeweiligen sportlichen Aktivitäten. Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass es gesund ist, Zeit im Kreise der Familie zu verbringen, jedenfalls sofern man seiner Familie nicht in tiefer Abneigung verbunden ist. Das ist bei mir glücklicherweise nicht der Fall.
Meine Mutter nahm mich mit in ihr Pilates-Studio. Dort standen in großer Zahl Geräte aus Leder, Holz und Kabeln, die allesamt aussehen, als seien sie von einem fitnessbesessenen Spross der IKEA -Dynastie in Zusammenarbeit mit einem spanischen Großinquisitor entworfen worden. Obendrein
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