Saufit: Von einem, der auszog, nie wieder krank zu werden (German Edition)
anderen 16 Stunden meines Wachzustands im Sitzen verbringe, lebe ich fast so ungesund wie bisher.
KAPITEL 4
Der Hintern
Weg mit dem Sitzfleisch!
Vier Monate nach dem Beginn von Project Health halte ich den Moment für gekommen, meiner überwiegend sitzenden Lebensweise den Kampf anzusagen. Dabei will ich diesen Krieg eigentlich gar nicht führen. Ich habe nichts dagegen zu sitzen. Eher im Gegenteil. Vor meinem aktuellen Projekt habe ich liebend gerne zehn bis zwölf Stunden täglich gesessen. Mein Bürostuhl und mein Hintern waren die allerdicksten Freunde. Ich weiß noch, einmal fragte ich Julie genervt, warum es eigentlich so etwas wie stehende Ovationen gibt. Sind die wirklich nötig? Können wir unserer Begeisterung für Cats nicht genauso gut gemütlich im Sitzen Ausdruck verleihen? Okay, vielleicht könnten wir ja zusätzlich die Arme nach oben strecken. Oder den Kopf neigen. Oder mit den Füßen stampfen.
Doch je mehr ich mich mit einschlägigen Studien beschäftige, desto deutlicher kristallisiert sich heraus: Es ist ungesund, den ganzen Tag nur zu sitzen und auf Bildschirme zu starren. Und zwar so total ungesund wie gleichzeitig filterlose Zigaretten rauchen, frittierte Käse-Speck-Happen essen und einen Tobsuchtsanfall kriegen. Michelle Obama hat recht mit ihrer »Let’s move«-Kampagne: Wir müssen uns mehr bewegen. Stühle sind unsere Feinde. Sitzen erhöht das Risiko für Herzkrankheiten, Diabetes, Fettleibigkeit und einige Krebsarten, darunter auch Darm- und Eierstockkrebs.
Unser Körper wurde nicht zum Sitzen geschaffen. Nie zuvor in der Geschichte der Menschheit haben wir uns so wenig bewegt. Laut Harvard-Professor John Ratey sind unsere Steinzeit-Ahnen acht bis zehn Meilen am Tag gelaufen. Selbst unsere Großeltern haben noch täglich 800 Kalorien mehr verbraucht als unsereins heute. In seinem Buch The Blue Zones: Lessons for Living Longer from the People Who’ve Lived the Longest erklärt der US -Forscher Dan Buettner, dass die Menschen in den Gegenden der Welt mit der höchsten Lebenserwartung – wie etwa die Bevölkerung der Okinawa-Inseln und Sardiniens – quasi permanent in Bewegung sind, unter anderem, weil sie ihre Nahrung steile Hügel hinaufschleppen müssen. (Erstmals wünsche ich mir, New York wäre hügeliger. Bei uns ist es gefährlich eben.)
Wir hingegen haben körperliche Anstrengung vom Alltag abgespalten. Das ist das Problem. Wir gehen eine Stunde täglich ins Fitness-Studio (jedenfalls sofern wir die dafür erforderliche Disziplin aufbringen), und den Rest des Tages verbringen wir auf dem Allerwertesten. Bewegung ist sorgsam vom Rest unseres Tagesablaufs getrennt und findet nur an eigens dafür vorgesehenen Orten statt.
Als ich zwölf Jahre alt war, wurde in mir der seltsame Wunsch wach, ich könnte mein Leben nach Tätigkeitsbereichen geordnet in seine Bestandteile zerlegen und diese dann systematisch geordnet wieder aneinanderfügen. Dann könnte ich mir einen Monat lang die Zähne putzen, und danach wäre das Thema für mich ein für alle Mal durch, rechnete ich mir damals aus. Für sämtliche Toilettengänge meines irdischen Daseins dürften zwei Jahre am Stück reichen. Für Sex würden meinen Schätzungen zufolge sechs Wochen genügen.
Was wir heutzutage tun, ist nicht ganz so extrem, aber durchaus vergleichbar. Wir sitzen und sitzen und sitzen, und dann ist es irgendwann Zeit für ein bisschen schweißtreibende Bewegung.
Studien belegen, dass selbst regelmäßige Gym-Besuche nicht ganz ausreichen, um den Gesundheitsrisiken vorzubeugen, die mit dem Dauersitzen einhergehen. Deshalb will und werde ich die Mauer zwischen Sport und Leben niederreißen. Inzwischen habe ich mir etwas angewöhnt, das ich »Guerilla-Training« nenne. Es ist dasselbe, was ein Freund von mir als umweltbezogenes Training bezeichnet. Anstatt ins Gym zu gehen, funktioniert man einfach seine Umgebung zum Fitness-Studio um. Seitdem verbringe ich mein Leben weitgehend in Bewegung. Um zu unserer Wohnung im vierten Stock zu gelangen, benutze ich grundsätzlich die Treppe. »Wir treffen uns dann oben«, sagt Julie immer, wenn sie den Aufzug betritt. Manchmal bin ich vor ihr an unserer Tür; wenn sie aus dem Aufzug kommt, stehe ich da und warte, tippe demonstrativ auf meine Armbanduhr, setze einen ungeduldigen Blick auf und versuche, nicht nach Luft zu schnappen. »Das war gut«, sagt sie dann im Vorbeigehen.
Die Personenbeförderungsbänder am Flughafen meide ich ebenfalls. Ich brauche kein
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