Saufit: Von einem, der auszog, nie wieder krank zu werden (German Edition)
Dauersitzens. Nehmen wir zum Beispiel eine Forschungsarbeit der University of South Carolina und des Pennington Biomedical Research Centre: Die Forschungsgruppe verglich die Herzleiden von Männern, die mehr als 23 Stunden wöchentlich sitzend verbrachten, mit denjenigen einer Vergleichsgruppe, die es auf weniger als elf Sitzstunden pro Woche brachte. Ergebnis: Das Risiko der Dauersitzer, einer Herzerkrankung mit potentiell tödlichem Ausgang zum Opfer zu fallen, lag um 64 Prozent höher als das der Vergleichsgruppe. Und es kommt noch dicker: Die Probanden mit dem ausgeprägten Sitzfleisch waren nicht etwa Bewegungsmuffel. Viele von ihnen gingen zwischen ihren Sitzphasen regelmäßig ins Fitness-Studio. Doch das Training genügte nicht, um den Schaden wiedergutzumachen, den ihre Schreibtischstühle anrichteten.
Also bin ich bemüht, wenigstens zu stehen , wenn ich nicht gerade in Bewegung bin. Olivia Judson schreibt in dem Zusammenhang: »Im Vergleich zum Sitzen ist Stehen eine ziemlich anstrengende Angelegenheit. Wer steht, muss die Beinmuskeln anspannen, und auch die Rücken- und Schultermuskulatur ist im Einsatz. Außerdem wechselt man oft unwillkürlich von einem Bein aufs andere – alles Körpervorgänge, bei denen Kalorien verbrannt werden.«
Gestern waren Julie und ich im Kino, um Star Trek anzuschauen. Nach 40 Minuten stand ich Entschuldigungen murmelnd auf und stellte mich hinten an die Rückwand des Saals.
Selbstgefälligkeit stieg in mir auf. Künstlerische Darbietungen im Sitzen verfolgen? – Das ist nur was für Schwächlinge und Weicheier. Ich fühlte mich wie ein direkter Nachfahre jener hartgesottenen Theaterliebhaber, die sich für einen Penny einen Stehplatz im lehmigen Innenhof von Shakespeares Globe Theatre leisteten.
»Es sind doch ganz viele Plätze frei«, flüsterte der Platzanweiser mir zu.
»Schon gut, danke.«
Ich lauschte dem beruhigenden Rattern des Projektors, und der Platzanweiser behielt mich für den Rest der Vorstellung im Auge.
Speed-Writing
Bleibt der Schreibtisch. Er ist der Tatort der mit Abstand meisten Dauersitz-Verbrechen.
Keine Frage, hier herrschte für mich akuter Handlungsbedarf. Zunächst arbeitete ich eine Woche lang im Stehen. Ich stapelte drei Pappkartons auf meinen Schreibtisch und packte meinen Laptop obendrauf. Dann stellte ich mich vor die Konstruktion und machte mich an meine E-Mails. Angeblich schrieb Nabokov seine Romane allesamt im Stehen – was mich mit der Hoffnung erfüllte, meine E-Mails würden zukünftig einen Touch von Fahles Feuer haben.
Diese Methode funktionierte gar nicht so schlecht. Ich trat ständig von einem Bein aufs andere und wiegte mich hin und her wie ein orthodoxer Jude, der an der Klagemauer ins Gebet vertieft ist. Nur dass ich dabei ein MacBook anstelle einer Thora umklammerte. Zu meinen Füßen deponierte ich zwei Bände der Encyclopaedia Britannica, um immer einen Fuß anheben und abstützen zu können – eine entscheidende Voraussetzung dafür, selbst längere Zeit bequem im Stehen zu verbringen.
Der eigentliche Durchbruch gelang mir jedoch erst, als ich Schreibtischarbeit und Bewegung kombinierte.
Immer wieder musste ich an den Execusiser denken, den Woody Allen in Bananas benutzt. Eine großartige Erfindung, dank derer sich Schreibtischarbeit mit körperlicher Ertüchtigung verbinden lässt. Das Telefon etwa ist nicht per Kabel, sondern per Expander mit dem Hörer verbunden, sodass jede Gesprächsannahme automatisch einen Bizepscurl erfordert.
Im Internet konnte ich zwar keine real existierenden Execusiser finden, aber immerhin stieß ich auf etwas, das sich als fast genauso gut entpuppte – nämlich einen Rat von Dr. James Levine, Forscher an der Mayo-Klinik. Er empfiehlt, Schreibtische prinzipiell mit Laufbändern zu kombinieren, damit man gleichzeitig arbeiten und laufen kann. Levine hat mittlerweile eine kleine, aber getreue Fangemeinde leidenschaftlicher Desk Jockeys um sich geschart. In Internetforen tauschen sie Tipps und Anekdoten aus und kreieren neue Wörter, etwa »Walk-Worker« und »iTrot«.
Für 400 Dollar können Sie eine industriell gefertigte Schreibtisch-Laufband-Einheit im Handel kaufen. Oder aber Sie basteln sich selbst etwas zusammen. Ich habe mich für Letzteres entschieden.
Und zwar, weil ich bereits ein Laufband besitze, das jedoch nicht mehr im Einsatz ist, seit die Nachbarn unter uns sich beschwert haben. Aber wenn ich auf meinem Laufband gehe , können sie eigentlich nichts mehr sagen.
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