Saufit: Von einem, der auszog, nie wieder krank zu werden (German Edition)
Auswirkungen auf meine Ernährung hat. Inzwischen mache ich einen Riesenbogen um alles, was weiß ist, also vor allem um Nudeln, Kartoffeln, Reis, Mehl, Zucker. Einzige Ausnahmen: Blumenkohl und Strohhalme. Letztere können nämlich möglicherweise die Zahnerosion verlangsamen, insbesondere, wenn sie auf dem hinteren Teil der Zunge aufliegen.
Alles auf Zucker!
Ich will endlich herausfinden, wie gesunde Ernährung nun eigentlich aussieht. Also bitte ich eine Frau vom Fach um eine geführte Supermarktbesichtigung: Marion Nestle, Professorin an der New York University, Autorin des Buches What to Eat und ausgewiesene Expertin für Ernährungsfragen aller Art. Wir treffen uns in Midtown Manhattan bei Whole Foods, der nach Wikipedia und eigenen Angaben größten Bio-Supermarktkette der Welt.
Ich habe Whole Foods nicht nur vorgeschlagen, weil es dort jede Menge gesunder Nahrungsmittel gibt, sondern weil dort auch jede Menge ungesunder Nahrungsmittel verkauft werden, die nur vorgeben, gesund zu sein. Zucker und Fett im Antioxidantiengewand. Und ausgerechnet ich habe eine Schwäche für Pseudogesundkost und falle immer wieder darauf herein.
Seit etwa zehn Jahren trägt diese Kategorie nicht unerheblich zu meinem täglichen Speiseplan bei. Ich esse gesüßte Müsliriegel und »Bio«-Frühstücksflocken, die genauso von Junkfood Inc. stammen könnten. Und hier noch ein besonders peinliches Geständnis: Früher habe ich auch gerne Vitaminwasser getrunken. Toll, dachte ich immer, da sind wertvolle Extrakte von grünem Tee drin! Im 19. Jahrhundert wäre ich der Erste gewesen, der im Panoptikum einen Batzen Geld hingelegt hätte, um eine echte Meerjungfrau zu sehen. Eine echte Meerjungfrau! Ist das nicht unglaublich?
Irgendwie ist mir natürlich durchaus bewusst, dass Vitaminwasser nichts anderes ist als aufgepepptes Zuckerwasser – eine Flasche enthält durchschnittlich 32,5 Gramm Zucker, fast so viel wie eine Dose Cola, die es auf 39 Gramm Zucker bringt. Trotzdem mag ich diese ganze Pseudogesundkost. Sie vermittelt mir das gute Gefühl, »das Richtige zu tun«, auch wenn von »richtig« keine Rede sein kann. Aber immerhin tue ich überhaupt etwas, ist das etwa nichts? Außerdem steht »gesund« auf der Packung, da, schwarz auf weiß.
Ich treffe Marion Nestle – deren Name übrigens »Nessel« ausgesprochen wird, nicht wie der Lebensmittelkonzern – an der Rolltreppe. Sie ist mit ihrem Freund Mal Nesheim gekommen, einem renommierten (und auf dem Lande aufgewachsenen) Professor für Ernährungswissenschaften an der Cornell University.
Nestle stellt gleich klar, dass sie trotz aller gerechtfertigten Kritik für Whole Foods ist. Und dass es ihr leidtut, in ihrem Buch den Spitznamen der Biokette – Whole Income – erwähnt zu haben. »Das war zu simpel«, sagt sie. Gesunde Ernährung könne zwar tatsächlich einen Großteil des Einkommens verschlingen – doch die Tatsache, dass gesundes Essen teurer ist als arterienverstopfendes Essen, sollte man nicht auf ein kleines Witzchen reduzieren. Dazu ist das Thema viel zu komplex. (Beispielsweise gibt der Durchschnittsamerikaner einen wesentlich geringeren Anteil, nämlich nur zehn Prozent, seines verfügbaren Einkommens für Nahrungsmittel aus als der Durchschnittseuropäer, der es auf 30 Prozent bringt. Wir sollten unbedingt unsere Prioritätenliste aktualisieren.)
Ich bitte Nestle, mir die ungesündesten Artikel zu zeigen, die bei Whole Foods im Regal stehen.
»Gut, dann gehen wir jetzt zu den Frühstücksflocken«, sagt sie. »Da ist es immer am lustigsten.«
Wir begeben uns zu Gang 1. Hier stehen sie, Cerealien meterweise, auf den Packungen Bilder von Bauernhäusern und Getreidefeldern. Nestle nimmt eine Schachtel in die Hand, lässt ihre Brille von ihrem grauen Lockenschopf auf die Nase gleiten, kneift die Augen zusammen und fixiert die Nährwertangaben. Nestle hat mehr Lebenszeit mit der Lektüre von Nährwertangaben verbracht als die meisten Amerikaner mit der Lektüre von Romanen (was allerdings vermutlich kein sehr aussagekräftiger Vergleich ist). Und vor allem kann sie die Codes entschlüsseln, die darin verwendet werden.
»Kondensierter Zuckerrohrsaft«, liest sie vor. »Klartext: Zucker.«
Wirklich? Es klingt so natürlich.
»Biomelasse«, liest sie weiter. »Klartext: Zucker.«
Ist Melasse wirklich nicht besser?
»Sie enthält auch ein paar andere Nährstoffe. Aber letztlich ist der Unterschied nicht sehr groß. Zucker bleibt Zucker.«
Und was ist mit
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