Saufit: Von einem, der auszog, nie wieder krank zu werden (German Edition)
Stoff entdeckt, der ein bestimmtes Nahrungsmittel so gesund macht. Zum Beispiel, dass Beta-Carotin in den Karotten uns vor Krebs schützt. Die Leute greifen also massenhaft zu Beta-Carotin-haltigen Nahrungsergänzungsmitteln – und dann stellt sich heraus, dass die Sache so einfach nicht ist. Einer groß angelegten finnischen Studie zufolge erhöhen Beta-Carotin-haltige Nahrungsergänzungsmittel bei Rauchern sogar das Risiko, an Lungenkrebs zu erkranken.
Fakt ist: In jeder Allerweltskarotte stecken zahllose verschiedene Mikronährstoffe, und wir wissen noch nicht, in welcher Wechselwirkung sie zueinanderstehen. Michael Pollan, der Autor des Buches Das Omnivoren-Dilemma: Wie sich die Industrie der Lebensmittel bemächtigte und warum Essen so kompliziert wurde, sagt in diesem Zusammenhang gerne: »Die Ernährungswissenschaft steht meiner Ansicht nach heute da, wo die Chirurgie im Jahr 1650 stand: theoretisch ein vielversprechender Ansatz – aber wer hätte sich damals schon freiwillig unters Messer gelegt?« Für alle, die sich wirklich gesund ernähren wollen, gibt es laut Pollan derzeit nur eines: Vollwertkost mit einem möglichst hohen pflanzlichen Anteil – und von allem nicht so viel.
Dr. Ben Goldacre, britischer Arzt, Journalist, Skeptiker und Autor des Buches Die Wissenschaftslüge: Wie uns Pseudo-Wissenschaftler das Leben schwer machen findet noch deutlichere Worte: Er wirft den Ernährungsexperten »intellektuelles Dünnbrettbohrertum« vor und »sträfliche Verstöße« gegen die Prinzipien vernünftiger Ernährung.
Das grundlegende Problem der Ernährungswissenschaft besteht darin, dass es kaum möglich ist, am Menschen randomisierte, Placebo-kontrollierte Ernährungsstudien durchzuführen. Klar, wenn man 10 000 Menschen 80 Jahre lang unter identischen Bedingungen einsperren, die eine Hälfte strikt vegan, die andere hingegen ausschließlich mit Steaks und Eiern ernähren und alle anderen Faktoren gleich halten würde, erhielte man wissenschaftlich fundierte Ergebnisse. Doch eine solche Studie wird es nicht geben. Es sei denn, ein Schurke wie aus einem James-Bond-Film setzt sich in den Kopf, eine Doktorarbeit in Ernährungswissenschaften zu schreiben.
Und so beruht unser Wissen in diesem Bereich im Wesentlichen auf zwei Quellen. Erstens auf Tierstudien. Diese können sehr aufschlussreich sein, deren Ergebnisse lassen sich aber nicht ohne Weiteres auf den Menschen übertragen.
Und zweitens auf epidemiologischen Studien. Grob vereinfachend gesagt, wird in epidemiologischen Studien anhand statistischer Bevölkerungsdaten nach Krankheitsursachen geforscht. Eine ungeheuer nützliche Methode. Der Epidemiologie ist es zu verdanken, dass sowohl der Zusammenhang zwischen Tabak und Lungenkrebs als auch der Zusammenhang zwischen verschmutztem Wasser und Cholera nachgewiesen werden konnte.
Natürlich hat diese Methode auch ihre Grenzen, insbesondere, wenn es um so komplizierte Bereiche wie Essen und Trinken geht. Dort gibt es Hunderte Störvariablen, die die Ergebnisse verzerren können.
Alkohol, zum Beispiel. Viele Indizien sprechen dafür, dass Alkoholkonsum gesund ist – schließlich leben Menschen, die Alkohol in Maßen zu sich nehmen, länger als Abstinenzler. Aber vielleicht ist es ja gar nicht der Alkoholgenuss, der sich lebensverlängernd auswirkt, sondern die Geselligkeit, die mit ihm einhergeht? Vielleicht sind ja die Partys, Sportveranstaltungen und Public Viewings gesund und nicht der Wodka, der bei diesen Gelegenheiten getrunken wird?
Über diese Problematik veröffentlichte der Wissenschaftsjournalist Gary Taubes im New York Times Magazine einen äußerst interessanten Artikel. Seine Ansicht lässt sich dahingehend zusammenfassen, dass wir gerne Korrelation und Kausalität verwechseln. Dazu ein oft zitiertes Beispiel: In den Gebieten der USA , in denen viele Menschen einen Reisepass besitzen, ist Diabetes unterdurchschnittlich verbreitet. Daraus könnte man schließen, dass ein Reisepass vor Diabetes schützt, richtig? – Falsch. Wahrscheinlicher ist, dass die Besitzer von Reisepässen im Schnitt wohlhabender sind und sich deshalb gesünderes Essen leisten können.
Angesichts der Komplexität der ganzen Materie geht es mir gleichzeitig besser und schlechter als vor Beginn meiner ernährungswissenschaftlichen Recherche. Es geht mir besser, weil ich inzwischen weiß, warum wir in dem Bereich ständig mit widersprüchlichen Schlagzeilen bombardiert werden (Soja – das Gesundheitswunder! Soja
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