Sauhaxn: Kriminalroman (German Edition)
ihr Nachthemd
und die Socken und verschloss die Reisetasche. Die Mafiosi vor der Haustür hatten
gerade ihren Wagen in Bewegung gesetzt. Kein Zweifel, sie wollten ihre Suche nach
Amalie wieder aufnehmen.
Amalie witterte
ihre Chance. Durch die Butterbrote und ein Stück Topfenstrudel gestärkt, war sie
bestens gerüstet für ihre Flucht. Zählte man noch das Geld dazu, konnte nichts schiefgehen.
Leicht schwankend
stand Amalie auf. Ihre ständigen Schwächeanfälle in der letzten Zeit bereiteten
ihr etwas Sorge. Wenn sie erst einmal weit weg und in Sicherheit war, musste sie
dringend einen Arzt aufsuchen.
Draußen
war es bereits dunkel und Amalie torkelte zur Garage. Es dauerte einen Moment, bis
sie das Schloss geöffnet hatte. Aus irgendeinem Grund befanden sich mehrere Schlösser
am Auto. Genauso wie Tore an der Garagenwand. Amalie ließ die Reisetasche auf den
Rücksitz und sich selbst auf den Fahrersitz fallen, legte den Gurt um und startete
den Motor. Da waren tatsächlich viele Garagentore. Mindestens vier. Sie schüttelte
den Kopf, blinzelte ein paar Mal und kniff die Augen zusammen. Für einen Augenblick
sah sie klar, gab Gas und schoss auf die Straße. Sie schlug das Lenkrad ein, erwischte
die Mülltonne des Nachbarn und befand sich auf dem gegenüberliegenden Bürgersteig.
»Huh«, rief
sie und wischte sich über die Augen. Sie schwitzte und kleine Schweißperlen rannen
ihr die Schläfen hinunter. Doch jetzt war nicht die Zeit, sich beirren zu lassen.
Der Flughafen in Annabichl war nicht weit und Lendnitz nicht groß. Klagenfurter
Straße, das musste doch richtig sein. Entschlossen trat sie das Gaspedal durch und
fuhr mit quietschenden Reifen um die Kurve. Großzügig interpretierte sie den Mittelstreifen
als Orientierungsmerkmal. Zwischendurch wich sie immer mal wieder rechts und links
von ihm ab, vorzugsweise nach links, wenn ihr Autos entgegenkamen. Den Kreisverkehr
in der Stadtmitte Lendnitzens umrundete sie dreimal, weil sie sich nicht mehr an
die richtige Ausfahrt erinnern konnte. Villacher Ring, Klagenfurter Straße, nein,
umgekehrt? Als sie am Villacher Ring abbog, der seinen Standort seit gestern geändert
hatte, musste sie zunächst anhalten und ihren Magen unter Kontrolle bringen. Mit
110 Sachen durch den Ortskern zu fahren, bekam ihr nicht gut.
Nachdem
sie durchgeatmet hatte, gab Amalie wieder Gas und versuchte, sich zu erinnern, wo
die Klagenfurter Straße lag. Da gab es doch diesen großen Bauernhof, der bis vor
ein paar Jahren noch einen Buschenschank-Betrieb aufrecht erhalten hatte. An die
Jause erinnerte sich Amalie immer noch gern zurück. Sie riss am Lenkrad und nahm
die nächste Ausfahrt. Klagenfurter Straße, Volltreffer. Jetzt nur noch Annabichl
finden. Spätestens morgen Früh würde ein Flieger nach Wien gehen und von da konnte
sie überall hin. Glücklicherweise war es mitten in der Nacht und die meisten Menschen
Lendnitzens schliefen, sonst hätte sie wahrscheinlich einige größere Unfälle auf
ihrem Weg verursacht. So musste nur ein Auto in den Straßengraben und ein anderes
auf den Bürgersteig ausweichen.
Amalie selbst
ging es immer schlechter. Ihr Magen rebellierte und auf dem Lenkrad tanzten schwarze
Punkte. Die Straße flackerte auf, dann wurde sie zu einer fauchenden Schlange.
Sie war
eine knappe halbe Stunde unterwegs, als sie wieder in den Kreisverkehr Lendnitzens
einbog. Irgendeine Kurve musste ihrem Orientierungssinn ein Schnippchen geschlagen
haben. Um Haaresbreite entging ein Frühaufsteher ihrer Stoßstange durch einen beherzten
Sprung in den Straßengraben. Amalie hatte die Scheinwerfer nicht angeschaltet, um
die Mafiosi nicht auf sich aufmerksam zu machen. Aber offenbar verursachte das fehlende
Licht Probleme bei den wenigen anderen Verkehrsteilnehmern, die unterwegs waren.
Also beugte Amalie sich hinunter, um den Schalter zu suchen. Ihr Wagen kreuzte den
Kreisverkehr quer und zerstörte das Blumenherz, das die Stadtverwaltung in der Mittelinsel
arrangiert hatte.
Amalie bog
noch einmal falsch ab und fuhr rechts ran. Die Straßenführung war tückisch an dieser
Stelle. Gleich vier Straßen führten vom Kreisverkehr ab. In ihrem benebelten Zustand
fand Amalie auch bei einem weiteren Versuch nicht die richtige Ausfahrt zur Klagenfurter
Straße. Stattdessen gelangte sie über den Villacher Ring zum Krankenhaus. Ein Krankenpfleger,
der zur Raucherpause vor dem Noteingang stand, sah den schlingernden Wagen kommen,
brachte zuerst die alte Dame im Rollstuhl, die sich
Weitere Kostenlose Bücher