Sauhaxn: Kriminalroman (German Edition)
Großmutter, nicht wahr?«
Natalie
nickte. Das wollte sie allerdings. Am besten heute noch, so schnell es ging. Nie
wieder würde sie von dort weggehen. Bis vor einer Woche hatte sie nicht geahnt,
wie glücklich sie gewesen war. All ihre Schulfreundinnen hatten immer von der großen,
weiten Welt gesprochen, da hatte Natalie gedacht, es ihnen gleichtun zu müssen.
Inzwischen wusste sie mehr über die große, weite Welt – und sie gefiel ihr nicht.
Resolut
machte Frau Stein sich ans Aufräumen. In der Schublade hinter der Bar fand sie die
Kasse mit dem Geld. Etwas angewidert nahm sie die Scheine heraus. »30 Kröten? Mehr
macht ihr hier nicht? Du bist doch ein hübsches Ding, da hättest du ruhig mehr verlangen
können!«
»Oh, nein.
Das ist nur das Geld von der Bar. Wenn die Kunden etwas trinken.«
»Ah.« Frau
Stein nickte verständnisvoll. »Und wo ist das restliche Geld?«
»Im Tresor.
Martin hat einen Tresor in die Wand eingebaut. Direkt unter dem Bild hinter Ihnen.«
Frau Stein
grinste und hängte summend das Bild ab. »Du hast nicht zufällig einen Schlüssel?«,
fragte sie und tastete vorsichtig die Wand um das Schloss herum ab.
»Was? Wieso?«
Wozu brauchte die alte Dame den Schlüssel? Sie wollte doch nicht etwa an den Tresor?
Oh doch, sie wollte, korrigierte Natalie sich sofort. Frau Stein wollte definitiv.
»Hör zu,
Kindchen. Dein Zuhälter, dieser Martin, ja? Der hat dich angelogen und betrogen
und hierher verfrachtet. Wie viel Geld hast du behalten von dem, was die Kunden
dir gezahlt haben?«
Natalie
zog eine Grimasse.
»Eben«,
sagte Frau Stein nachdrücklich. »Meinst du nicht, das Mindeste, was er dir schuldig
ist, ist das Geld für die Fahrkarte nach Hause? Zu deiner Großmutter?«
Natalie
zögerte, dann nickte sie langsam. Martin war wirklich ein Arschloch gewesen. Zuerst
mit diesem ganzen Drogenplan und dann hatte er sich auch noch umbringen lassen,
sodass Natalie mit dem Verbrecher allein gewesen war. Frau Stein hatte vollkommen
recht. Natalie nickte grimmig und kramte den Schlüssel aus der Schublade hervor.
»Dann wollen
wir doch mal sehen, wie viel Kohle der gute Mann hier gehortet hat.«
Natalie
blickte über Frau Steins Kopf in den Tresor.
»Um Himmels
willen!«, hauchte sie. »Das ist ja unglaublich! Du meine Güte!«
Geldbündel
um Geldbündel stapelten sich dort und Frau Stein grinste zufrieden. »Wie schön!«,
sagte sie verträumt. Die alte Dame griff nach einem Bündel, ließ die Scheine durch
ihre Finger sausen, zählte die übrigen Bündel und rechnete. »Verdammt, der hat euch
echt ackern lassen, was?«
»Lady Jacqueline
war nicht billig.«
»Das sind
knapp 100.000 Euro. Da würde ich sagen, haben wir einen Jackpot geknackt. Du kriegst
keine Fahrkarte nach Hause, du kannst dir ein Auto leisten.«
»Ich habe
einen grünen Jetta.«
»Du kriegst
einen Mercedes. Deiner Großmutter bringst du einen großen Blumenstrauß mit. Als
Entschuldigung dafür, was du hier alles angestellt hast. Und dann versprichst du
ihr hoch und heilig, nie wieder abzuhauen. Schon gar nicht, um so einem depperten
Idioten in ein Bordell zu folgen.«
Frau Stein
sah sie streng an und Natalie nickte gehorsam.
»Ganz bestimmt
nicht, Frau Stein.«
»Braves
Mädchen.« Die alte Dame nahm die Hälfte der Geldbündel und steckte sie in eine Plastiktüte.
Die gab sie Natalie zusammen mit letzten Instruktionen in die Hand.
»So, Kindchen.
Den Rest regle ich. Du musst dir keine Sorgen machen. Weder um den Geisteskranken
am Heizungsrohr noch um Martin, um diesen Puff oder die Polizei. Alles wird gut.
Du fährst jetzt direkt zu deiner Oma und richtest ihr herzliche Grüße von mir aus.«
»Das werd
ich, Frau Stein. Vielen Dank für Ihre Hilfe.«
»Hab ich
doch gern gemacht.« Die alte Frau strahlte. »Ich wünschte, ich hätte eine Enkelin
wie dich! Du bist ein liebes Mädchen.«
Natalie
lächelte verlegen und machte sich auf den Weg nach draußen. Alles würde wieder gut
werden, da glaubte sie fest dran. In der Tür drehte sie sich noch einmal um. »Es
war wirklich alles nur ein Unfall.«
Die alte
Dame nickte. »Unfälle passieren.« Sie legte den Kopf schräg, zwinkerte Natalie zu
und sagte: »Und manchmal muss man nachhelfen, damit sie passieren.«
Das letzte,
was Natalie beim Hinausgehen von ihr sah, war, wie sie die restlichen Geldbündel
in ihre riesige Handtasche stopfte.
*
Amalie stopfte zwei Geldbündel in
ihren BH, den Rest ließ sie in den Briefumschlägen. Sie legte sie auf
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