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Saukalt

Saukalt

Titel: Saukalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oskar Feifar
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dieser Plan auch wunderbar funktioniert, und der Pavel wäre völlig aus
dem Schneider gewesen. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Anna irgendwo im Wald
erfrieren würde, war relativ hoch. Und fast hätte er mit dieser Vermutung ja
auch Recht behalten. Mit der Aussage von Anna hatte der Strobel den ersten Teil
des Puzzles beieinander. Was den Rest anging, hoffte er, dass ihm da die Traude
weiterhelfen würde. Weil noch musste der Strobel davon ausgehen, dass der Pavel
seine beiden Komplizen ermordet und den ›Hexenwinkel‹ angezündet hatte, um
seine Spuren zu verwischen. Vor allem aber um die Traude zu töten, die für ihn
eine Gefahr war, weil sie alles wusste. Eine weitere offene Frage war, wo die
restlichen Mädchen abgeblieben waren. Es war allerdings zu vermuten, dass sie
längst in eine andere Stadt gebracht worden waren. Um es genau zu wissen,
musste er mit der Traude reden. Von daher hielt er sich nicht mehr allzu lange
auf, sondern machte sich auf den Weg nach Hollabrunn. Bevor er das Pfarrhaus verließ,
trug er dem Römer auf, niemanden zu dem Mädchen zu lassen und gut auf sie
aufzupassen. Das hätte er sich aber auch sparen können, weil der Pfarrer
sowieso nicht vorhatte, die Kleine aus den Augen zu lassen.

25
     
    Krankenhäuser hatten noch nie
etwas Einladendes oder gar Heimeliges. Damals nicht und heute auch nicht. Als
Patient läufst du Gefahr, dass du in dieser Umgebung Depressionen bekommst, und
als Besucher fürchtest du dich davor, krank zu werden und in so einer Anstalt
zu landen. Früher, in der Zeit in der wir Menschen noch erdverbundener waren
und nicht höher als sechs Stockwerke bauten, war so ein Besuch im Krankenhaus
noch eine echte Herausforderung, weil es oft aus mehreren Häusern bestand. Der
Portier sagte, du musst in den Osttrakt oder in den Westtrakt. Da musstest du
deinen Kopf noch anstrengen oder einen Kompass mithaben, um dein Ziel zu
erreichen. Heutzutage braucht so ein Krankenhaus wesentlich weniger
Grundfläche. Der Mensch hat gelernt, dass oberhalb vom sechsten Stock noch
relativ viel Platz ist und angefangen, in die Höhe zu bauen. Jetzt könnte man
meinen, dass es in einem hohen Gebäude auch nicht einfacher ist, irgendwo
hinzufinden. Und vielleicht wäre das auch so, hätte da nicht ein findiger
Architekt die grenzgeniale Idee mit den Farben gehabt. Wenn du heute nach dem
Weg fragst brauchst du nicht zu wissen, wo Osten oder Westen ist. Weil heute
sagt dir der Portier, du sollst der roten, blauen, grünen, weißen oder gelben
Linie folgen. Vorausgesetzt, dass du nicht farbenblind bist, ist das eine
einfache Übung. Wer auch immer diese Eingebung hatte, bekam dafür sicher einen
tollen Preis. Für die Innovation des Jahres oder so. Nicht unverdient, weil auf
die Idee musst du erst einmal kommen. Andererseits ist das auch gefährlich. Der
Hund liegt nämlich genau in dieser Einfachheit begraben. Auf diese Weise wird
dem Besucher nämlich das Denken erspart. Folge der Linie. Mach dir einmal die
Mühe und beobachte Menschen, die den fixen Gedanken im Kopf haben, der roten
Linie folgen zu müssen. Was machen die, wenn diese Linie plötzlich vor einer
gläsernen Schiebetür endet? Oder gar vor einem Lift? Richtig! Sie bleiben
stehen und schauen eine Runde blöd, weil sie erst darüber nachdenken müssen,
wie es weitergehen soll. Du meinst, dass ich übertreibe? Dann gönn dir einen
Tag in einem großen Krankenhaus und beobachte. Dann wirst du schon sehen. Aber
egal. Im Krankenhaus in Hollabrunn gab es damals sowieso keine farbigen Linien.
Noch nicht einmal einen vierten, geschweige denn einen fünften oder sechsten Stock.
Dafür ein Haupthaus, einen Süd-, einen Ost- und einen Westtrakt. Ich brauche
dir wahrscheinlich nicht zu erzählen, dass die Traude dem Strobel nicht den
Gefallen tat, im Haupthaus zu liegen. Laut Auskunft vom Portier lag sie im
Westtrakt. Weil der Strobel kein Dummer war, hielt er sich nicht mit der Frage
auf, wo genau eigentlich Westen war, sondern fragte, ob er ins linke oder ins
rechte Gebäude musste. Ganz schön gewieft, der Strobel. Dank dieses
Geistesblitzes fand er die Traude relativ schnell. Das glaubte er zumindest.
Ich meine, er war sich schon sicher, dass er im richtigen Zimmer war. Trotzdem
zweifelte er im ersten Moment daran. Er hätte die Frau nämlich fast nicht
erkannt. Das hört sich jetzt vielleicht blöd an, aber hast du einen deiner Bekannten
schon einmal ohne seine Haare gesehen? Da schaut so ein Mensch gleich ganz
anders aus.

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