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Saukalt

Saukalt

Titel: Saukalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oskar Feifar
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die Männer den Raum und gingen in die
Küche. Während der Strobel sich hinsetzte und das eben Gehörte geistig noch
einmal durchging, stellte der Römer Kaffee auf. Es ist schwer zu sagen, was der
Strobel empfand. Er war entsetzt, zu welchen Grausamkeiten manche Menschen
fähig waren, nur um Geld zu verdienen, empfand Mitleid für all die Mädchen,
deren Hoffnungen so schamlos ausgenutzt wurden, Verachtung für die Täter und
eine unglaubliche Wut auf Gott. Wie weit der etwas mit der Sache zu tun hatte,
könnte man jetzt diskutieren, aber für den Strobel trug er eine Mitschuld. Und
du kannst dir sicher schon denken, dass der Römer wieder einmal gefordert war,
seinen Chef zu verteidigen. Weil noch bevor er mit seinen Kaffeevorbereitungen
fertig war, kamen vom Strobel einige Fragen. Er wollte wissen, wo Gott gewesen
war, während diesen unschuldigen Mädchen all das angetan worden war und wie er
das hatte zulassen können. Fragen, die bei vielen anderen Gelegenheiten schon
tausendmal gestellt wurden und die auch in Zukunft immer wieder jemand stellen
wird. Nur beantworten kann sie bis heute niemand. Daher wenig überraschend,
dass der Römer es auch nicht konnte und zunächst nichts erwiderte. Was hätte er
auch sagen sollen? Dieses Schweigen machte den Postenkommandanten nur noch
wütender. Er brauchte in diesem Moment einfach ein Ventil, um Dampf abzulassen.
Dass er dafür ausgerechnet auf seinen Freund losging, war natürlich nicht fair.
Er wusste halt in dem Moment nicht, wie er all die Gefühle beherrschen sollte,
die in ihm wüteten. »Na los, sag es mir! Wo war dein Gott? Warum lässt er
unschuldige Menschen so leiden? Ist das seine Art, Liebe zu zeigen?« Sehr laut
und sehr aggressiv war der Strobel dabei. Und wenige Augenblicke später tat ihm
das auch schon leid. Weil der Römer stellte die Kaffeedose weg, drehte sich um,
sah den Strobel an und sagte: »Ich weiß es nicht, Strobel. Ich weiß es wirklich
nicht.« Als der Gendarm dem Priester ins Gesicht sah, bemerkte er, dass der
Mann weinte. Da kam ein weiteres Gefühl in ihm auf: Reue. Bevor er aber etwas
sagen konnte, begann der Römer zu reden: »Denkst du wirklich, ich zweifle nicht
auch manchmal? Glaubst du allen Ernstes, ich könnte diese Dinge gutheißen? Aber
woher soll ich wissen, warum sie passieren? Woher soll ich wissen, was Gott
gerade getan hat, als die Mädchen ihn gebraucht hätten? Warum tust du immer so,
als müsste ich so etwas wissen? Nur weil ich Priester bin? Meinst du, ich
telefoniere jeden Tag mit dem Herrn, und er erklärt mir seinen Plan? Oder fragt
nach meiner Meinung? Ich frage mich genau wie du ständig, ob es ihn überhaupt
gibt, diesen Gott. Aber ich weiß es eben nicht! Ich habe mich aber, im
Gegensatz zu dir, dafür entschieden, an ihn zu glauben. Ist es das, was du mir
vorwirfst? Meinen Glauben? Versuch es einmal. Geh los, und frag ihn selbst!
Bete und versuch, seine Antworten zu verstehen. Aber wahrscheinlich fehlt dir
der Mut, es zu probieren. Es ist immer noch viel einfacher, zu verurteilen,
nicht wahr? Von mir aus kannst du Gott gerne die Schuld an allem geben, aber
lass mich aus dem Spiel! Ich foltere nicht, ich töte nicht und ich verursache
keine Katastrophen! Ich bin nur ein Mensch, der versucht, anderen Menschen
Trost zu spenden. Nichts sonst. Kein Hellseher, kein besserer Mensch. Nur ein Priester.
Verstehst du?«
    So
emotional hatte der Strobel den Römer noch nie erlebt. Und er hatte sich auch
noch nie Gedanken darüber gemacht, dass er ihn verletzen könnte, wenn er ihn
manchmal so behandelte, als wäre er für alles, was sein Arbeitgeber tat, mitverantwortlich.
Jetzt hockte er da und hatte keine Ahnung, wie er auf die Worte seines Freundes
reagieren sollte. Er wusste nur, dass er deswegen keinesfalls mit Hochwürden
streiten wollte. Weil natürlich sagte ihm sein Verstand, dass der Römer der
Letzte war, den er verantwortlich machen konnte. So sagte der Strobel nur zwei
Worte, als ihm der Römer die Kaffeetasse vor die Nase knallte. »Entschuldige,
bitte.« Und siehst du, das genügte dem Römer tatsächlich. Er nickte und reichte
dem Strobel wortlos ein Stück Kuchen, bevor er sich ein Taschentuch holte, um
seine Tränen zu trocknen. Als er nach einer Weile immer noch nicht zurück war,
machte sich der Strobel auf, um ihn zu suchen. Im Wohnzimmer wurde er fündig.
Da saß der Römer in seinem Ohrensessel und las so konzentriert in der Bibel,
dass es beinahe verbissen wirkte. Der Strobel blieb einige Zeit

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