Saukalt
Wenger drohte seiner Tochter jedenfalls damit, zur Gendarmerie zu
gehen, wenn sie diese Vorgänge nicht abstellte. Damit setzte er sie zusätzlich
unter Druck. In Ihrer Verzweiflung verquatschte sie sich dann beim Pavel, und
der ließ sie daraufhin nicht mehr nach Hause gehen, sondern hielt sie im
›Hexenwinkel‹ fest. Bis zum gestrigen Tag. Die Traude konnte nicht genau sagen,
was da passiert war. Alles was sie wusste war, dass der Pavel wahnsinnig nervös
war, weil der Frantisek und der Artur in der Nacht verschwunden waren.
Ununterbrochen rief er irgendjemanden an und fragte nach den beiden. Irgendwann
am späteren Vormittag kamen drei Männer mit einem Kastenwagen und luden die
Mädchen ein. Einer dieser Männer führte mit dem Pavel ein Gespräch, das sich
gar nicht freundlich anhörte. Aber diesmal konnte sie nicht alles verstehen,
weil sie im Nebenraum war. Aber durch die offene Tür konnte sie sehen, dass der
ansonsten so selbstsichere Pavel dabei ziemlich ängstlich dreinschaute und kein
einziges Mal widersprach. Da wollte sie freilich wissen, worüber die beiden
Männer redeten und schlich sich näher zur Tür. Weibliche Neugier halt. Was soll
man dazu sagen? Immer weiter schlich sie nach vorne. Bis sie schließlich
erwischt wurde. Mit dem Ergebnis, dass sie so nahe an die Männer herankam, dass
sie mehr hörte, als sie wissen wollte. Nämlich, dass der Pavel sich um sie
kümmern, dann alle Spuren im ›Hexenwinkel‹ beseitigen und abhauen sollte. Diese
Anweisung führte er auch gleich nach der Abfahrt der Mädchen aus. Er schnappte
sich die Traude, schlug sie bewusstlos und fesselte sie an einen Stuhl. Unter
›Spuren beseitigen‹ versteht naturgemäß jeder etwas anderes. Der Pavel verstand
darunter, so viel Benzin wie möglich in dem Haus zu verteilen und es dann an so
vielen Stellen wie möglich anzuzünden, damit es auch ja schön brannte, und die
Reste danach in eine Zündholzschachtel passten. Das war ziemlich sicher nicht
die Methode, die sein Auftraggeber für gut befunden hätte. Der hatte sich
sicher etwas weniger Auffälliges gewünscht als die Bude abzufackeln und damit
die ganze Umgebung in Aufruhr zu versetzen. Der Pavel machte das allerdings
auch nicht, weil er blöd war. Im Gegenteil. Der Schlaukopf veranstaltete den
Rambazamba, um von seiner Flucht abzulenken. Ich meine, der Mann wusste ganz
genau, dass er nicht länger als 20 Minuten bis zum Grenzübergang brauchte. Er
wusste aber auch, dass er auf der Straße niemals so schnell fahren konnte, wie
ein Telefonat durch die Leitung sauste. Soll heißen, er ahnte bereits, dass
irgendetwas schief gelaufen war, und die Gendarmerie nach ihm suchte. Mit dem
Legen des Feuers konnte er die Beamten aber wunderbar auf Trab halten und so
viel Zeit gewinnen, wie er für seinen geordneten Rückzug brauchte. Nachträglich
betrachtet ging dieser Plan ja auch auf. Tja, das war sie, die Geschichte von
der Traude. Jetzt, wo der Strobel sie kannte, war das Bild fast komplett. Bis
auf die Kleinigkeit, dass er noch immer nicht wusste, wer der Mörder von den
Baumhängern war. Weil der Pavel hatte es ja anscheinend doch nicht getan. Aber
wer dann? Diese Frage konnte ihm die Traude nicht beantworten. So sehr er sich
auch bemühte, sie dazu zu bringen. Letztendlich blieb ihm nichts weiter übrig,
als ihr zu glauben, dass sie davon keine Ahnung hatte. Für ihn lautete die neue
Jackpotfrage, wer es sonst wissen konnte. Ich meine, eine Person gab es ja
sowieso noch, mit der er unbedingt reden wollte. Aber ob der Brauneis Thomas
ihm diese Frage beantworten konnte, war fraglich. Und falls er es wusste,
wollte er es möglicherweise gar nicht sagen. Um das herauszufinden musste der
Gendarm aber nicht besonders weit gehen, weil der Bursche eine Etage höher lag.
Um es kurz zu machen, der Thomas wusste es auch nicht. Besser gesagt, er
behauptete, es nicht zu wissen. Aber rein vom Gefühl her kaufte ihm der Strobel
das nicht ab. Und weißt du warum? Weil dem Strobel wieder einfiel, dass er den
Thomas vor einigen Tagen bei der Familie Fellner getroffen hatte. Sicher, viel
Aussagekraft hatte das im Zusammenhang mit dem Doppelmord nicht, aber verdächtig
war es allemal. Immerhin waren diese Familien seit ewigen Zeiten verfeindet.
Zudem hatten der Fellner Fritz und der Brauneis Thomas für den Pavel gearbeitet
und dabei draufgezahlt. Der Thomas, weil ihn der Pavel betrogen und dann
furchtbar verprügelt hatte, und der Fellner Fritz du
weißt schon. In dem Moment, als
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