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Saukalt

Saukalt

Titel: Saukalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oskar Feifar
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Gehorsam und dem
Gefühl der Unentbehrlichkeit, die den Strobel dazu getrieben hatte.
Vorauseilender Gehorsam, weil er verhindern wollte, dass der Berti diesen
theoretischen Notfall alleine durchstehen musste, und der Major Schuch dann
einen Grund hatte, sich darüber aufzuregen, dass der Strobel als
Postenkommandant nicht erreichbar war. Das Gefühl der Unentbehrlichkeit ergab
sich, weil der Strobel halt auch ab und zu glaubte, dass er alles selber machen
müsse, wenn es gründlich gemacht werden sollte. Nicht, dass er dem Berti nicht
zugetraut hätte, alles richtig zu machen. Das schon. Aber Vorsicht ist halt die
Mutter der Porzellankiste. Alles richtig gemacht zu haben heißt ja noch lange
nicht, alles gründlich genug gemacht zu haben. Von daher war Vertrauen zwar
gut, Kontrolle aber eben immer noch besser. Ich glaube, das hatte was mit der
ureigenen Angst vor Fehlern zu tun, die den Exekutivbeamten immer schon zu
eigen war. Weil so ticken die halt einmal. Damals genauso wie heute. Nur keine
Fehler. Immer alles richtig oder gar nicht. Weil wenn du gar nichts tust,
kannst du natürlich nicht wirklich was falsch machen. Und wenn du nichts falsch
machst, kann dir keiner ans Bein pinkeln. Klarer Fall von da siehst du’s, da
hast du’s. Weil wenn du selber nicht so viel zu tun hast, kannst du davon
ausgehen, dass du einen Chef hast, der noch viel weniger zu tun und deshalb
viel Zeit hat, dich zu kontrollieren. In der Hierarchie über dem Strobel gab es
eine ganze Menge Chefs. Daher natürlich auch eine Menge Kontrolle. Obwohl ich
schon sagen muss, dass der Strobel es damals immer noch viel einfacher hatte
als seine Kollegen heute. Heutzutage ist das mit der Kontrolle noch viel
schlimmer geworden. Die Möglichkeiten, irgendwelche Fehler zu machen, sind auch
mehr geworden. Von daher entweder richtig, oder eben gar nicht. Aber wie dem
auch sei. Tut ja nichts zur Sache. Jedenfalls hatte der Strobel dem Berti die
Nummer von der Frau Doktor gegeben, und an diesem Samstagvormittag trat dann,
völlig unvorhersehbar, genau solch ein nicht näher definierter Notfall ein und
veranlasste den Berti anzurufen. Kurz und knapp erzählte er seinem Chef, dass
der Fellner Fritz im Wald herumhing. Jetzt kannst du sagen, dass es nichts
Besonderes ist, wenn einer irgendwo herumhängt. Weil heutzutage machen viele
Jugendliche nichts anderes, als dauernd irgendwo herumzuhängen. Nur, dass sich
der Berti in diesem Fall ein bisschen unpräzise ausdrückte. Weil als der
Strobel ihn fragte, was er damit genau meinte, sagte er, dass der Fritz mit
einem Strick um den Hals an einer Tanne baumelte. Eine Nachricht, die den
Strobel so sehr überraschte, dass ihm die Gesichtszüge entgleisten.
Blitzschnell gingen ihm die Bilder seiner letzten Begegnung mit dem Fellner
durch den Kopf und er musste an die Abschiedsworte vom Fritz denken.
    »Euch
werd ich’s zeigen!«, hatte er gesagt. Dass er damit offenbar gemeint hatte,
sich umbringen zu wollen, darauf wäre der Strobel im Leben nicht gekommen. So
einen Schritt hätte er dem Fritz niemals zugetraut. Da schlich sich fast so
etwas wie ein schlechtes Gewissen beim Strobel ein. Vielleicht hätte er den
Fritz doch nicht nach den Diebstählen in der Kirche fragen sollen? Und vielleicht
hätte er auch ein bisschen freundlicher zu ihm sein sollen. Das alles ging dem
Strobel durch den Kopf, derweil der Berti am anderen Ende der Leitung auf einen
fachlichen Kommentar seines Vorgesetzten wartete. Viel ist dem allerdings zu
dem Thema nicht eingefallen. Dafür machte sich dieses Gefühl der
Unentbehrlichkeit ganz stark bemerkbar. Deswegen hielt er sich gar nicht lange
mit irgendwelchen Fragen auf, sondern kündigte an, dass er so schnell wie
möglich nach Tratschen kommen und sich die Sache selber anschauen wolle. Als er
dann aber den Blick von der Frau Doktor sah, disponierte er blitzschnell um.
Weil ihr konnte man deutlich ansehen, dass sie das für keine gute Idee hielt.
Eines hatte der Ordnungshüter in seinem Leben nämlich schon gelernt. Nämlich,
dass keine Idee eine gute war, wenn frau sie nicht auch toll fand. Und was das
toll finden anging, sprach die Miene von der Frau Doktor wahre Bände.
    »Weißt
du was«, sagte Strobel deshalb zum Berti, »es reicht sicher auch, wenn ich
morgen Früh komme«. Insgesamt eine kluge Entscheidung. Weil das Letzte, was er
sich wünschte, war eine grantige Frau Doktor. Reanimieren konnte er den Fritz
außerdem sowieso nicht mehr, und was bei so einem Selbstmord zu tun

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