Saukalt
meine, er hatte schließlich mit
so etwas gerechnet. Aber im Stillen hatte er bis jetzt doch noch gehofft, dass
er sich irrte und alles halb so schlimm war. Nun wusste er, dass er es doch mit
einem Mord zu tun hatte. Zwar nicht am Fellner Fritz, aber an der Frau aus der
Donau. Weil dass diese und die Frau im Pfarrhaus etwas mit dem ›Hexenwinkel‹ zu
tun haben mussten, war für ihn nur logisch. Warum hätte eine der beiden sich
sonst ausgerechnet hier in der Gegend verstecken sollen? Jetzt, das war dem
Gendarmen klar, musste er unbedingt noch herausfinden, was genau eigentlich
passiert war und was das alles mit dem Tod vom Fritz zu tun hatte. Fragen, die
ihm der Wenger Sepp sicher nicht beantworten konnte. Der Vollständigkeit halber
fragte er den geknickten Mann noch, ob die Traude zufällig im Haus war, weil er
mit ihr reden musste. Aber da schüttelte der Wenger resigniert den Kopf und
meinte, dass das Mädel seit ihrem letzten Streit nicht mehr nach Hause gekommen
war und sich wahrscheinlich in Albersdorf aufhielt. Ohne weitere Worte zu
verlieren, deponierte der Strobel das Geld für sein Frühstück auf dem Tisch und
stand auf. Statt sich zu verabschieden oder gar Worte des Dankes zu verlieren,
klopfte er dem verzweifelten Wenger mit der Hand auf die Schulter und ging. Er
konnte ziemlich genau nachfühlen, was es für den Mann bedeuten musste, seine
eigene Tochter zu verraten. Aber der Strobel wusste auch, dass er es nur getan
hatte, weil er Angst um sie hatte. Wahrscheinlich dachte er, dass es besser
war, wenn sie von der Gendarmerie verhaftet wurde, bevor ihr der Pavel oder
sonst irgendwer etwas antun konnte. Auf jeden Fall hatte der Strobel Mitleid
mit dem Wenger Sepp. Weil man konnte über den Mann sagen was immer man wollte,
aber so etwas hatte er sich nicht verdient. Überhaupt sollte es Eltern immer
erspart bleiben, eines Tages feststellen zu müssen, dass ihr Ableger ein
Verbrecher ist. Das ist sicher kein schönes Gefühl, wenn du dich als
rechtschaffener Elternteil den Rest deines Lebens fragen musst, was du bei der
Erziehung so grundlegend falsch gemacht hast. Weil auch wenn so manche Studie
sagt, dass Verbrecher normalerweise aus einem schlechten sozialen Umfeld
stammen, so ist das doch oft nicht wahr. Und der Wenger hatte, trotz seiner
harten Schale, immer versucht, seiner Tochter alles zu bieten, was sie sich so
wünschte. Was das Mädel dazu gebracht hatte, sich mit dem Pavel einzulassen,
war für ihren Vater ein absolutes Rätsel. Zum ersten Mal seit elf Jahren war
der Wenger dankbar dafür, dass seine Frau nicht mehr am Leben war. Weil so
musste sie das jetzt wenigstens nicht miterleben. Aber auch der Strobel fühlte
sich nicht sonderlich gut. Zu deutlich sah er den Schmerz in den Augen des
Wirtes und wusste, dass sich der Mann niemals verzeihen würde, sein eigen
Fleisch und Blut ins Gefängnis gebracht zu haben. Obwohl er damit sicher das einzig
Richtige getan hatte. Allerdings konnte der Postenkommandant nicht wirklich
viel Zeit für Sentimentalitäten aufbringen. Die Liste, die er abarbeiten
musste, war noch ziemlich lang, und er wurde das Gefühl nicht los, dass er sich
beeilen sollte. Also eilte er zurück auf die Dienststelle und ließ sich vom
Pfaffi die Liste mit den Autobesitzern geben, die Gäste im ›Hexenwinkel‹
gewesen waren. Dass die Gespräche mit diesen Herren ein bisschen delikat werden
würden, war dem Strobel bewusst. Aber wenn wenigstens einer von ihnen die
Wahrheit sagen würde, dann hätte er alles, was er brauchte, um den Pavel
mitsamt seinen Kumpanen, und natürlich auch die Traude, aus dem Verkehr zu
ziehen. Allzu viel Hoffnung machte er sich allerdings nicht, weil er beim
Überfliegen der Liste feststellte, dass all diese Männer Familienväter und
teilweise Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens waren. Freiwillig würde wohl
kaum einer von ihnen zugeben, dass er im Puff war. Um diese Zeit würden
außerdem die meisten von ihnen nicht daheim sein. Daher beschloss der Strobel,
zuerst einmal zum Haus vom Brauneis Thomas zu gehen und mit ihm zu reden.
Allerdings war auch von diesem Besuch nicht viel zu erwarten. Gleich nach dem
ersten Läuten machte die Frau vom Thomas die Tür auf. Eingehüllt in ein
zelt-ähnliches Hauskleid und unfrisiert stand die stark übergewichtige Frau mit
einem Baby auf dem Arm im Türrahmen und sah den Strobel ziemlich unfreundlich
an. Noch bevor er etwas sagen konnte, begann sie zu reden und sagte ihm, dass
der Tom nicht daheim sei,
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