Saupech (German Edition)
einfach keinen Wert. Na, wie auch immer. Das war nicht ihr Bier.
»Da gebe ich Ihnen recht. Trotzdem kann ich mir nicht vorstellen, was Sie zu mir führt.«
»Nun, Sie kennen sich in der Gegend aus. Ich dachte, Sie zeigen mir die Stelle, wo Sie den Waldarbeiter gefunden haben. Ich zeige Ihnen, wo die Leiche der Tante meiner Auftraggeberin gelegen ist. Und vielleicht haben wir eine Idee, was dort geschehen sein könnte.«
Dorli konnte sich bei Gott einen vergnüglicheren Zeitvertreib vorstellen, als mit diesem großen Schmuddelkind durch den Wald zu stapfen. Andererseits musste sie heute Nachmittag ohnehin mit Idefix eine größere Gassirunde machen. Vielleicht konnte sie das Angenehme mit dem Unabwendbaren verbinden. Und möglicherweise fiel ihnen ja wirklich etwas auf.
»Um sechzehn Uhr mach ich Schluss. Dann hol ich meinen Hund und wir können aufbrechen, wenn S’ solange warten wollen.«
»Danke, sehr freundlich. Ich wart beim Kirchenwirt. Ich hab heute noch nichts gegessen.«
Du meinst wohl, noch keinen hinter die Binde gekippt? Aber das sprach sie selbstverständlich nicht laut aus.
Beim Kirchenwirt war es ziemlich voll und laut. Lupo wurde feindselig gemustert. Doch da er sich an einen Tisch im hinteren Gastraum setzte und das Tagesmenü bestellte, ließ man ihn in Ruhe.
Ihm fiel allerdings auf, dass es in der Gaststube vorne immer lauter und jeder Neuankömmling mit einem schallenden »ochtadochtz’g« begrüßt wurde. Seltsame Bräuche hatten die hier.
Eine Stunde später und früher als erwartet erschien Dorothea Wiltzing. Als sie durch die Gasthaustür trat, wurde auch ihr ein derartiger Gruß entgegengeschmettert.
»Ja, ihr mich auch!«, knurrte sie in Richtung Schank und blickte sich suchend um. Lupo winkte ihr, und sie kam an seinen Tisch.
»Was ist denn da los?«, fragte er und nickte Richtung Vorraum.
»Na was wohl! Heute ist der zwanzigste April, Führers Geburtstag.«
»Häh? Welcher Führer?«
»Mann, leben Sie hinterm Mond? Adolf Hitler natürlich.«
»Die feiern … den Geburtstag …?« Lupo war von den Socken. »Und was bedeutet der Gruß ›achtundachtzig‹?«
»Wofür steht der achte Buchstabe im Alphabet?«
Lupo zählte sie an seinen Fingern ab. »A, b, c, d, e, f, g, h. Doppel-H. Und was soll das heißen?«
Dorli blickte ihn zweifelnd an. »Sie haben wirklich keine Ahnung, ha? ›Achtundachtzig‹ steht für ›Heil Hitler‹! Wenn Sie rausschauen, dann sehen Sie, dass die dazu den rechten Arm zum Hitlergruß ausstrecken. Und wenn die in dem Tempo weitersaufen, dann wird’s nicht mehr lang dauern, bis die statt ›achtundachtzig‹ auch ›Heil Hitler!‹ schreien.«
»Das ist jetzt aber nicht wahr! Und da schreitet keiner ein? Wo bleibt die Polizei?«
»Die sind doch selber zu gut einem Drittel, wenn nicht mehr, Mitglied in irgendwelchen Altnaziklubs oder in einer der neuen ultrarechten Parteien. Und mehr als die Hälfte des Restes sympathisiert mit denen. Denn die sind gegen Ausländer und für mehr Zucht und Ordnung. Für die rechten Fundis daher automatisch für einen schönen Polizeistaat. Alles klar?«
»Ich fass es nicht! Und Sie, Sie tun auch nichts?«
»Wissen S’, ich leb hier. Ich habe eine Stellung bei der Gemeinde. Ich mach nicht mit bei den Radaubrüdern, aber ich kann mich auch nicht offen gegen sie stellen. Sonst bin ich meinen Job los. Und vernünftige Arbeit liegt hier auf dem Land nicht gerade auf der Straße. Also, was sollte ich Ihrer Meinung nach tun?«
»Wenn Sie eine halbwegs gute Ausbildung haben, kann es doch nicht so schwer sein, einen Job zu finden«, entgegnete Lupo mit finsterem Blick Richtung Gaststube.
»Ich kann Ihnen sagen, was man als Frau mit Matura am Land erreichen kann. Kassierin beim Billa. Wenn Sie flink sind, beim Hofer. Oder Aushilfskellnerin in einem Gasthaus. So schaut’s aus. Und selbst mit Hochschulabschluss sind die Chancen nur besser, wenn Sie einen eigenen Betrieb haben.«
Lupo schwieg betreten. So hatte er sich die ländliche Idylle beileibe nicht vorgestellt. Natürlich waren auch in Wien die Rechten in den letzten Jahren immer stärker geworden. Er hatte gedacht, das läge an dem hohen Ausländeranteil in einigen Bezirken. Doch hier gab es so gut wie keine Zuwanderer. Und Frauen mit Matura konnten in Wien auch andere Jobs finden als den einer Kassierin in einem Supermarkt oder der Bedienung im Wirtshaus.
»Klappen S’ Ihren Mund wieder zu. Haben Sie schon bezahlt? Wenn nicht, erledigen Sie das
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