Saupech (German Edition)
samt Mann und Maus auf den Meeresgrund schickte, um die Versicherungssumme zu lukrieren. Kurz nach Anbruch des neuen Jahrtausends wurden dann die letzten Produktionshallen geschliffen. Heute erinnert nur noch der Pecherhof der Kinaski-Brüder in Hernstein an die hohe Zeit der Pechgewinnung. Und der Kusch, ein kleiner Pechsieder in Langebichl, betreibt die letzte Harzraffinerie.«
Mittlerweile waren sie ein gutes Stück auf dem Waldweg vorangekommen. Als sie aufgebrochen waren, war es sonnig und warm gewesen. Nun lugte die Sonne nur mehr zeitweilig zwischen den Wolken hervor, und ein unangenehm kalter Wind war aufgekommen. Dorli zeigte nach links.
»Dahinten hab ich den Hias gefunden. Der ist auch genau da umbracht worden. Wo hat die Polizei die Frau Dürauer aufgeklaubt, Herr Schatz?«
»Könnten S’ bitte Lupo zu mir sagen? Also. Da ist der Weg, dort drüben die Pecherkapelle. Von dort aus noch ungefähr dreihundert Meter und dann ein ganzes Stück in den Wald rein. Das sind Luftlinie vielleicht fünfhundert Meter.«
Die Pecherkapelle hieß eigentlich Vinzenzkapelle, nach dem Schutzheiligen der Pecher. Ein moderner Bau aus Holz und Glas, zum Himmel offen, als Symbol für die Verbundenheit mit der Natur. Dorli war einmal mehr angetan von den klaren Linien und der schlichten Schönheit des Baus. Doch deswegen war sie nicht hier.
»Dann könnte die Frau Dürauer – rein theoretisch gesprochen – den Mörder des Hias überrascht haben.«
»Und als sie weglaufen wollte, hat sie der Mörder von hinten niedergeschlagen und dann erwürgt. Dass sie nicht sehr gut zu Fuß war, hat ihre Nichte bestätigt. Die Frau hätte keine Chance gehabt, wenn es so gewesen wär!«
»Vielleicht war sie sogar näher. Ich kann mir nämlich nicht vorstellen, dass eine Frau, die schlecht zu Fuß ist, abseits vom Weg durchs Unterholz dahinstapft. Was meinen Sie, Lupo?«
»Dann sollten wir den Wegrand links und rechts absuchen. Nehmen Sie die linke Seite und ich die Seite mit der Kapelle.«
Dorothea warf Idefix einen dicken Ast, worauf der in langen Sätzen davonstob. Danach unterzog sie ihre Seite des Weges einer genauen Prüfung. Nach einem schmalen Wiesenstreifen verlief ein Graben entlang der Straße, etwa einen halben Meter tief. Sie schritt die gesamte Länge ab, ohne irgendetwas Auffälliges entdeckt zu haben.
»Schon was gefunden, Frau Winz… äh, Wiltzing?«
»Na. Und könnten S’ vielleicht Dorli zu mir sagen?«
»Liebend gern!«
So viel Begeisterung war ihr auch wieder nicht recht. Sie wollte nur das verdammte »Winzling« nicht mehr von ihm hören.
»Ich geh den Weg retour, nur ein, zwei Meter weiter drinnen im Wald. Machen Sie das auf Ihrer Seite auch?«
Lupo nickte.
Plötzlich entdeckte Dorli aus den Augenwinkeln ein helles Aufblitzen. Als sie genauer hinsah, bemerkte sie nur altes Laub in dem Graben neben der Straße. Sie beugte sich hinunter zu einem Häufchen brauner Blätter. Nichts. Doch als sie einen Schritt beiseite trat und die Sonne wieder auf die Stelle schien, glänzte es erneut silbrig. Sie ging in die Hocke, schob ein paar Nadeln und Blätter beiseite, und da lag es. Ein silbernes Nokia-Telefon. Dorli kramte ein Sackerl fürs Gackerl aus ihrer Jackentasche und nahm das Handy damit vorsichtig auf.
»Lupo! Kommen Sie her.«
Er eilte herbei.
»Lassen S’ sehen.«
Er nahm ihr das Mobiltelefon aus der Hand und drückte auf den Einschaltknopf. Das Handy blieb tot.
»Wenn das schon so lang da liegt, ist sicher der Akku leer. Wir müssen’s erst laden.«
Dorli musterte, während sie sprach, intensiv den Boden der Umgebung.
»Suchen Sie was?«
»Sicher. Wenn das Handy hier auftaucht, mit dem die alte Dame vermutlich gerade die Polizei anrufen wollte, dann muss unser Mörder sie hier in der Gegend niedergeschlagen haben. Weit kann sie mit ihrer Gehbehinderung nicht gekommen sein.«
»Richtig. Suchen wir nach Spuren.« Lupo kreiste und musterte ebenfalls die Umgebung.
»Sie zertrampeln im Moment eher welche, falls nach zwei Wochen überhaupt noch welche vorhanden wären.«
Lupo blieb abrupt stehen und ließ nur mehr seine Blicke schweifen. »Was ist das dort drüben? Da hängt irgendwas an dem kleinen Strauch.«
Sie umgingen den möglichen Tatort weiträumig, und als sie zu dem Busch gelangten, sah Dorli, dass es sich um ein winziges Fetzerl Stoff handelte. Der Typ hatte unglaublich gute Augen. Sie hätte das Stück Stoff glatt übersehen, obwohl sie nach dem Handyfund die Umgebung mit Argusaugen
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