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Saupech (German Edition)

Saupech (German Edition)

Titel: Saupech (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika A. Grager
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überdimensionaler Plüschhase.«
    Dorli konnte sich das Lachen nicht mehr verkneifen. »So benimmt er sich meistens auch.«
    »Also, kurz haben Sie mich jetzt schon erschreckt.« Lupo wies auf die Kiefern voraus. »Was ist an diesem Wald hier eigentlich so besonders?«
    »Sehen Sie dort drüben die Lachten, Spuren früheren Anpechens?«
    Lupo nickte. »Einige schauen ganz frisch aus. Und da hängen Glashäferln drunter.«
    »Genau. An einer kleinen Anzahl von Bäumen setzen die letzten Pecher auch heute noch ihre Hacken an und gewinnen in den Pechhäferln das wertvolle Harz der Pinus nigra . Das im Sommer in den Häferln gesammelte Rinnpech ist wertvoller als das im Herbst geerntete Scherrpech.«
    »Rinnpech, Scherrpech – soll einem normalen Menschen das was sagen?«
    »Na ja, ich bin hier aufgewachsen. Da saugt man das mit der Muttermilch ein. Aber unsere Jungen wissen das auch nicht mehr alle. Das Rinnpech ist flüssig, ziemlich rein, und die Bäume müssen alle vier bis sieben Tage neu gehobelt werden, damit wieder Pech fließt. Das heißt, dem Baum wurden wieder neue Wunden zugefügt. Und so geht das durch die ganze Saison. Das war früher eine ziemliche Knochenarbeit, und bis heute hat sich da nicht wesentlich was dran geändert. Der Pecher zog mit seiner bis zu zwanzig Kilo schweren Butte, früher Pittel genannt, von Baum zu Baum und leerte den Inhalt der Behälter hinein.«
    »Und was ist eine Butte?« Lupos Blick war ein lebendes Fragezeichen.
    »Hm, schwer zu erklären. Das ist ein Tragegefäß für den Rücken, wie es auch die Winzer zur Traubenernte benutzen. Aber nicht aus Weidengeflecht, sondern aus Vollholz. Sonst würde das Pech ausrinnen.«
    »Verstehe. Aber wie kamen die dort rauf?« Lupo zeigte auf eine Stelle, wo das Pechhäferl weit oben hing.
    »Da musste der Arbeiter auf die Leiter. Oft mehrere hundert Mal am Tag. Dann wurde mit dem Pechlöffel noch der Rest herausgeholt. War die Pittel voll, kam der Inhalt ins Pechfass, das halb im Waldboden versenkt war.«
    »Wofür denn das?«
    »Erstens konnte das Fassl dann nicht davonrollen, zweitens war das Pech dadurch relativ kühl gelagert. Die Fässer hatten ein Gewicht von bis zu zweihundert Kilo und wurden, wenn sie voll waren, abgeholt und zu Sammelplätzen gebracht. Früher mit Pferdefuhrwerken, später mit Lastwagen. Und von dort wurden sie dann in die Raffinerie transportiert.«
    »Wie viele Bäume haben die Pecher denn so behandelt?«
    »Im Schnitt hatte jeder Pecher an die dreitausend Föhren pro Saison.«
    »Beachtlich. Und wie oft haben die die Häferln geleert?«
    »Zwischen April und Oktober vier, fünf Mal.«
    »Rumsdi! Die Kerle müssen ganz schön kräftige Burschen gewesen sein.«
    »Allerdings. Denn damit sie auf die hohen Bäume raufkommen konnten, hat jeder auch noch seine bis zu sechs Meter lange Leiter mitgeschleppt.«
    »Ich kann mir lebhaft vorstellen, warum das heut keiner mehr macht! Und was ist jetzt das Scherrpech?«
    »Das ist der letzte Rest im Herbst. Das ist schon relativ fest, oft stark verunreinigt mit Insekten, Blättern und Nadeln und muss halt abgescherrt werden, daher der Name. Das Zeug wurde mit einer speziellen Schürze aufgefangen, kam ebenso in Fässer, wurde festgestampft und auch in die Raffinerie befördert. Piesting war vom Mittelalter bis zum Anfang der zweiten Hälfte des 20.   Jahrhunderts ein Mittelpunkt der Harzgewinnung in Österreich. Die Harzgenossenschaft war jahrzehntelang Arbeitgeber für viele Harzbauern, Pechhacker und Pechsieder.«
    »Und was macht man aus dem Zeug?«
    »Man trennt Terpentin von den festen Bestandteilen und macht daraus in weiteren Verarbeitungsschritten Firnis, spezielle Lacke, Saupech, Kolophonium, Leim, Kosmetikprodukte, Heilsalben, ätherische Öle.«
    »Aber wieso nur bei so wenigen Bäumen?«
    »Werden vielleicht irgendwann wieder mehr. Heute wird das fast alles künstlich und viel billiger aus Erdölderivaten erzeugt. Aber wenn das Öl weniger wird und die Ölpreise weiter so steigen, wer weiß? Vielleicht wird die Pecherei in ein paar Jahren wieder ein aufstrebender Berufszweig.«
    »Und die Infrastruktur? Wohin ist das alles verschwunden?«
    »Tja, die Harzgenossenschaft in Piesting gelangte noch einmal kurz zu trauriger Berühmtheit, als klar wurde, dass Udo Proksch in ihrer Niederlassung in Pottenstein seine ›wertvollen Maschinenteile‹ aus Altteilen und Schrottmaschinen zusammengeschustert, umlackiert und gelagert hatte, die er später mit der ›Lucona‹

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