Saupech (German Edition)
abgesucht hatte.
»Wissen Sie, was die alte Dame trug, als sie verschwand?«
Lupo schüttelte den Kopf. »Keinen blassen Schimmer. Aber ich werde ihre Nichte fragen. Auch wegen des Telefons. Und wenn die Frau ein graues Kleid anhatte und dieses Handy ihr gehörte, dann müssen wir die Polizei hierherschicken.«
»Das tun wir besser gleich. Denn für heute Nacht ist wieder Regen angesagt. Ich rufe die hiesige Inspektion an. Allerdings müssen wir ein Stück zurücklaufen. Hier gibt es keinen Empfang. Wie ich den Hias g’funden hab, musste ich auch erst eine Stelle suchen, wo ein Sendemast in Reichweite war.«
»Hm. Das würde erklären, warum die Polizei das Handy nicht orten konnte.«
Dorli nickte. »So ist es.«
Sie mussten fast bis zum Auto zurückgehen. Dorli wählte, und als sich Bertl Wagner meldete, ihr alter Schulfreund, und sie ihren Namen nannte, schrie er in den Hörer: »Net, Dorli, sag net, du hast schon wieder an Toten g’funden!«
Ärgerlich knurrte sie ihn an. »Keine Leich. Aber die Spuren, die möglicherweise den Mord am Hias und der Frau Dürauer aus der Stadt in einem ganz anderen Licht erscheinen lassen. Und die ihr nicht gefunden habt’s.«
»Und was soll das jetzt heißen, Dorli?«
»Hier liegt ein silbernes Handy, und an einem Strauch hängt ein Fetzen von einem grauen Stoff. Und das vielleicht hundert Meter von der Stell, wo der Hias umbracht worden ist. Und hier war angeblich das Spurensicherungsteam? Ich kann’s net glauben!«
Zehn Minuten später rauschte Bertl mit einem jungen Kollegen heran.
»Und wer ist der?« Er deutete auf Lupo.
»Ein Privatdetektiv, den die Nichte der Frau Dürauer engagiert hat.«
»Des a no! Der is ma no abgangen!«, murrte Bertl ziemlich ungehalten.
»Angenehm, ich freu mich auch, Sie kennenzulernen«, erwiderte Lupo siebensüß. In diesem Moment war er Dorli zum ersten Mal richtig sympathisch.
Bertl zog ein Gesicht, als hätte er Zahnweh.
»Was für eine Scheiße! Gerald, ruf Dornröschen an. Der soll seinen Arsch in Bewegung setzen, aber dalli!«
11
Seine frühesten Erinnerungen waren die wilden Streits seiner Eltern. Und meistens ging es dabei um ihn. Vater wollte einen harten Burschen zum Sohn, Mutter schrie, er sei doch noch ein kleines Kind. Danach war der Vater noch wütender als sonst, und Mutter sprach tagelang kein Wort mit ihm.
An diesem besonderen Tag, an den er sich immer noch erinnerte, als wäre es gestern gewesen, lehrte ihn sein Vater zu gehorchen. Er sollte ein Huhn mit der Axt schlachten und ausnehmen. Er entgegnete, dass er das nicht könne. Da nahm sein Vater einen Hammer und schlug ihm damit auf den kleinen Finger seiner linken Hand. Er heulte auf. »Du wirst das Viech schlachten, oder der nächste Finger is dran. Und wenn alle Finger gebrochen sind, und das Viech is immer no net tot, dann hast ja no a paar Zehen.«
Er schüttelte den Kopf. Sprechen konnte er nicht. Sein Mund war trocken, seine Augen tränenblind. Der Vater riss seine Hand an sich, legte sie auf den Schlachtblock und schlug erneut zu. Der Ringfinger platzte unter der Wucht des Schlages an der Spitze auf.
»Mama«, wimmerte er. Doch die konnte ihn nicht hören. Die war mit seiner Schwester in die Stadt gefahren.
»Wird’s bald?« Der Vater hob erneut den Hammer.
»Ich kann des net!«, schrie er. Da sauste der Hammer nieder und brach ihm den Mittelfinger.
Rasende Wut durchströmte ihn und verlieh ihm Kraft, die er nie in sich vermutet hätte. Er nahm die Axt in die rechte Hand. Schielte verstohlen unter den gesenkten Lidern zu seinem Vater. Am liebsten hätte er ihm die Axt auf den Kopf gehauen, doch er war zu groß für ihn. Er packte mit der verletzten Hand den Hals des Huhns und schlug zu. Er brauchte drei Schläge, bis er richtig traf. Das Huhn zappelte und gackerte in Todesangst. Dann rollte der Kopf davon, und der Körper fiel zu Boden, rappelte sich auf und lief noch ein paar Meter, bevor er zuckend auf die Erde fiel und schließlich still dalag. »Des san die Nerven. Es spürt nix mehr.«
Das war ihm egal. Er zitterte. Das Beil fiel aus seiner Hand, traf den großen Zeh. Er spürte es kaum.
»Braver Bua. Wenn’s die Mama g’rupft hat, nimmst das Hendl aus. Da graust’s der Mama. Und falls wer fragt, du hast di selber auf d’ Hand g’haut. Is des klar? Sonst …«
Er nickte. Er hatte endlich einmal etwas geschafft, was sein Vater von ihm wollte. Er hatte getötet. Er war ein Held. Er war fünf Jahre alt.
12
»Woher hätten wir denn
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