Saupech (German Edition)
Mordes geworden ist und daher auch sterben musste.«
Grete schluckte schwer und putzte sich wieder die Nase.
»Darum hab ich den Hias nie erreicht, wenn ich ang’rufen hab«, nuschelte sie ins Taschentuch.
»Und warum haben S’ nicht bei einer Freundin nachgefragt, was los ist? Oder bei der Polizei?«
»Sie kennen den Hias net. Der ist oft net ans Telefon gangen. Entweder, weil’s ihn einfach net g’freut hat, oder, weil er’s gar net g’hört hat. Er ist in den letzten Jahren immer terrischer worden. Aber ein Hörgerät hätt er niemals benutzt. Abgesehen davon, dass es einfach zu teuer g’wesen wär. Eigentlich war i erst heute besorgt, wie er mi net vom Bus abg’holt hat. Denn verlässlich war er immer, der Hiasi, sein ganzes Leben lang. Und pünktlich.«
»Na gut, Frau Grebenzer, ich lass Sie jetzt mal in Ruhe auspacken. Vielleicht können Sie morgen Vormittag auf die Inspektion kommen? Wir hätten da schon noch ein paar Fragen an Sie. Nur eines noch: Hatte Ihr Mann Feinde?«
»Der Hiasi? Sicher net! Immer freundlich und hilfsbereit, fast schon deppert. Er hat sich ausnutzen lassen. Von jedem.«
Jetzt flossen die Tränen wieder reichlich. Bertl erhob sich und bedankte sich bei Dorli, dass sie sich um Grete kümmerte.
Als er das Haus verlassen hatte, nahm Dorli Gretes Hand.
»Kann ich dir irgendwie helfen?«
»Find den Scheißkerl, der meinen armen Hiasi umbracht hat.«
»Aber Gretel, das ist Sache der Polizei.«
»Geh, die finden ja net einmal ihre eigenen Fiaß, wenn’st ihnen net sagst, dass in die Socken stecken. Bitte schau, dass der Mörder net so einfach davonkommt. Versprich mir das in die Hand, Dorli.«
»Ich versprech’s dir. Und jetzt mach ich uns einen Kaffee. Oder willst lieber an Schnaps?«
Grete schüttelte den Kopf. »Kaffee. I muass nachdenken. Da brauch i an klaren Kopf.«
Als Dorli die Kaffeetassen auf den Tisch stellte und das starke Gebräu einschenkte, hatte sich Grete einigermaßen beruhigt.
»Sag, Grete, du hast mir erzählt, dass dich Hiasis Chef zur Reha gefahren hätte. Aber der Karl hätte dir doch sicher sofort Bescheid gegeben, als der Hias gefunden wurde.«
»Na, das war doch net der Karl. Der Hiasi hat zu der Zeit für den Meixner Toni gearbeitet. Weißt eh, das war kurz vor Beginn der Pechersaison. Da ist no ka Arbeit im Wald. Und der Meixner hat wen braucht.«
Das erklärte einiges. Anton Meixner lebte recht zurückgezogen. Sein Hof lag ein ganzes Stück außerhalb, und er kam selten in den Ort. Immer nur, wenn es geschäftlich notwendig war. Aber dem müsste doch zumindest aufgefallen sein, dass der Hias nicht mehr zur Arbeit erschien! Warum hatte er sich nicht danach erkundigt, was mit seinem Arbeiter geschehen war? Oder war das passiert, als der Hias seinen Dienst beim Toni schon beendet hatte? So musste es wohl gewesen sein. Sie würde dem Meixner einen Besuch abstatten und ihn einfach fragen. Was für eine rundherum saublöde G’schicht.
Die Grete öffnete eine Schranktür und nahm eine Dose heraus.
»Willst ein Kekserl zum Kaffee? I hab noch immer Weihnachtsbäckerei. I frier immer einen Haufen ein und tau sie dann portionsweise wieder auf. Der Hiasi hat sie so gern gegessen. Was mach i denn jetzt damit? I darf nämlich gar nix naschen, i hab Diabetes.«
Das, dachte Dorli, würde bald ihre geringste Sorge sein. Denn auf Grete kam eine Menge zu. Das Begräbnis organisieren, die Verwandten benachrichtigen, die Behördenwege, die Verhandlungen mit der Pensionsversicherung wegen einer Witwenrente. Sie würde jedes bisschen Kraft brauchen, das sie bei der Rehabilitation getankt hatte.
19
»Schau, Mama, da weinen die Bäume.« Das kleine blonde Mädchen an der Hand seiner Mutter wies auf einen Baum am Rand des Föhrenwaldes.
»Bäume weinen nicht, du Baby!«
Die große Schwester verzog verächtlich den Mund.
Karl Kinaski lächelte die Kleine an. »Du hast recht. Man nennt das auch Pechtränen, wenn es so in die Häferln rinnt.«
Das kleine Mädchen drehte der großen Schwester eine lange Nase.
Karl Kinaski führte heute eine Gruppe von Kindern mit ihren Eltern über den Pecherlehrpfad. Obwohl er seit dem Fund von Hias’ Leiche schon öfter hier gewesen war, gab es ihm jedes Mal wieder einen Stich, wenn er an der Stelle vorbeikam, wo der Hias gestorben war.
Die Kinder waren immer sehr interessiert und fragten, warum die Bäume geritzt wurden, was mit dem gewonnenen Pech geschah, warum nur so wenige Bäume behandelt wurden, wo es doch gerade
Weitere Kostenlose Bücher