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Saure Milch (German Edition)

Saure Milch (German Edition)

Titel: Saure Milch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Mehler
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gelang ihr
nicht.
    Mirzas Tod hat eine Menge durcheinandergebracht, dachte sie, während
sie den Teig knetete. Mitten am Nachmittag bekomme ich Herrenbesuch, ich mische
mich unaufgefordert in die Arbeit der Polizei, und ich fühle mich
irgendwie … beflügelt. Zeit, dem Ganzen ein Ende zu machen. Die Polizei
kommt ganz gut ohne mich zurecht. Und Sprudel auch – schade.
    Fanni wurde ein bisschen rot. Meine Güte, rüffelte sie sich selbst,
sei nicht kindisch, Fanni, du bist fünfundfünfzig, hast erwachsene Kinder,
Enkel, und überhaupt: Schuster bleib bei deinen Leisten.
    Gegen Mittag, als das Hefegebäck im Ofen bräunte, ging Fanni nach
draußen, um die Zufahrt zu fegen. Sie nahm zwei ausgepresste Zitronenhälften
für den Komposthaufen mit. Weit kam sie allerdings nicht. Das Fenster zu Frau
Pramls Bügelzimmer stand offen, und Fanni hörte deutlich deren keifende Stimme:
»Du hast ihr noch unter den Rock geglotzt, da ist die Mirza schon tot auf der
Gartenmauer gelegen!«
    Fanni bremste abrupt.
    Herrn Pramls Antwort drang nur als leises Grollen nach draußen.
    Gut, dass seine Frau eine Stimme wie eine rostige Kreissäge hat,
freute sich Fanni zum ersten Mal, seit sie neben Pramls wohnte, als Frau Praml
wieder ansetzte: »In letzter Zeit bist du jeden Tag zum Klein-Hof gerannt.
Einmal wolltest du die neue Melkmaschine anschauen, ein anderes Mal das
Stierkalb bewundern. Erst neulich musstest du dem Bene das gute Schmierfett zum
Ausprobieren vorbeibringen. Ausreden waren das, Vorwände, um die Mirza wolltest
du rumscharwenzeln.«
    Fanni hielt die Luft an. Sollte sich Praml wirklich an die Mirza
herangemacht haben? Kaum zu glauben. Er war so ein Stiller, der Praml, machte
selten den Mund auf. Verständlicherweise, denn seine Frau kreischte laut genug
für beide.
    »Kein Wort glaub ich dir!«, jaulte sie gerade eben. »Ich bin doch
nicht blind. Das hab ich doch selber gesehen, wie du hingestarrt hast, wenn
sich die Mirza über die Milchkübel gebeugt hat.«
    Herrn Pramls neuerliches Grollen klang deutlich auf »tot« aus, und
im selben Moment knallte eine Tür ins Schloss.
    Schade, dachte Fanni, eilte zum Kompost und dann schleunigst zurück
ins Haus. Die Dalken mussten aus dem Ofen.
    Als Sprudel gegen zwei Uhr nachmittags an der Tür
klingelte, stand das Gebäck mit Puderzucker bestäubt neben der vollen
Kaffeekanne.
    Sprudel biss in einen Dalken hinein, verdrehte die Augen, als würde
ihn solcher Genuss vom Fleck weg ins Paradies schicken, und erging sich in
Lobeshymnen. Fanni strahlte, trübte aber schnell wieder ein.
    »Rezept von Mirza«, sagte sie, »damit wenigstens ein bisschen was
von ihr zurückbleibt.«
    Sprudel nickte und dann sagte er: »Fanni, ich habe die halbe Nacht
lang über Mirza und den Alten nachgedacht. Darüber, wie der Alte durch sein
Spucken eine Art Körperkontakt zu Mirza herstellen wollte, und darüber, wie sie
darauf eingegangen ist und wie sie seine ›Zärtlichkeit‹ auf die einzige Manier
erwiderte, die der Alte ertragen konnte.«
    Fanni strahlte wieder. »Du hast mich verstanden, Sprudel.«
    Sie konnte nicht anders, sie musste ihn duzen, weil er so wunderbar
in Worte gefasst hatte, was sie ihm begreiflich zu machen versucht hatte, ohne
es selber so recht zu durchschauen.
    »Ja«, sagte Sprudel, »ich habe verstanden, und das kompliziert die
Sache um Zehnerpotenzen.«
    »Mindestens«, grinste Fanni, »weil du keinen Täter mehr hast und
nicht weißt, wo du einen hernehmen sollst.«
    »Sehr richtig«, stimmte Sprudel zu, »und das ist überhaupt nicht
lustig – oder hast du etwa einen anzubieten?«
    »Nein«, sagte Fanni. Sie benötigte genau zwei Sekunden, um alle
guten Vorsätze des Vormittags über Bord zu werfen, und fuhr fort: »Aber einen
Weg in seine Richtung.«
    Sprudel nahm sich den dritten Dalken, biss hinein und hielt Fanni
demonstrativ sein großes Ohr hin.
    Fanni legte los: »Deine Kollegen haben am Mordtag auf der
Klein-Wiese nur Mirzas Fußspuren finden können. Warum gehen wir also nicht
einfach davon aus, dass auch keine anderen da waren, Sprudel?«
    Sprudel spülte dem Dalken Kaffee nach und blinzelte Zustimmung zu
Fannis neuem Ansatz.
    Fanni wagte sich weiter. »Mirza ist also alleine und in aller Ruhe
über die Wiese heruntergekommen und ist auf mein Grundstück spaziert – fragt
sich, was wollte sie hier?«
    »Bei Fanni Johannisbeeren klauen«, schlug Sprudel vor.
    »Noch nicht reif«, konterte Fanni, »und außerdem kein Grund für
mich, Mirza zu

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