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Saure Milch (German Edition)

Saure Milch (German Edition)

Titel: Saure Milch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Mehler
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Stein
den Schädel ein.«
    »Der Gerichtsmediziner hat also blaue Flecken an Mirza entdeckt, da
wo der Alte sie gepackt hat?«, fragte Fanni. »Und die Spurensicherung hat auf
der Wiese Abdrücke von Mirzas Sandalen und von den Schuhen des Alten gefunden,
und der Stein, an dem noch Haare von Mirza klebten, lag unter dem Bett des
Alten?«
    »So eindeutig ist die Beweislage leider nicht«, gab Sprudel zu.
»Weitere Verletzungen waren bei Mirza merkwürdigerweise nicht festzustellen,
und die Tatwaffe ist verschwunden. Vielleicht hat der Alte den Stein einfach in
die Güllegrube geworfen. Selbst wenn wir den richtigen Stein da herausholen
könnten, wären keine verwertbaren Spuren mehr darauf. Was die Fußspuren angeht:
Nur die von Mirza waren zu erkennen, weil sich die spitzen Absätze der Sandalen
durch die Grashalme in die Erde gebohrt haben.«
    »Damit ich das alles richtig verstehe«, sagte Fanni,
nachdem sie eine Weile in ihre Kaffeetasse gestarrt hatte, »die beiden
streiten. Der Alte hebt einen Stein auf und geht auf Mirza los. Sie rennt weg,
über die Wiese auf meinen Garten zu. Der Alte hinkt mit dem Stein in der Hand
hinterher. Er ist dreißig Jahre älter als Mirza, zwanzig Kilo schwerer und hat
einen lädierten Fuß. Das alles hindert ihn aber nicht daran, Mirza einzuholen,
ohne auf der Wiese ein paar umgeknickte Halme zu hinterlassen. Auf meinem
Grundstück, gleich neben dem Grenzmäuerchen, merkt Mirza, dass sie keine Chance
hat gegen den Alten. Diese Erkenntnis lässt sie umgehend zur Salzsäule
erstarren, und der Alte kann Mirza in aller Ruhe das Keilbein zertrümmern. Er
lässt sie liegen, hinkt mit dem Stein in der Hand über die Wiese zurück, wieder
ohne Spuren zu hinterlassen, und versenkt seine Tatwaffe in der Güllegrube.«
    Fanni schwieg. Für so ein mieses Drehbuch würde sich Wachtveitl
nicht hergeben, ging es ihr durch den Sinn. Und dann blitzte in Fannis Hirn ein
Gedanke auf: Wenn gleich nach der Tat auf der Klein-Wiese nur Mirzas Spuren
vorhanden waren, dann muss ihr Mörder von woanders
hergekommen sein!
    »Na ja«, sagte Sprudel indessen, »einholen hätte der Alte Mirza wohl
schon können. Sie hat hochhackige Schuhe angehabt und ein recht enges Röckchen,
da kann man nicht so schnell laufen.«
    »Und was glauben Sie, hatte der alte Klein an den Füßen?«, fragte
Fanni.
    Sprudel zuckte die Schultern.
    »Seit ich den Alten kenne«, erläuterte Fanni, »trägt er Sommer wie
Winter Lederschlappen, und die bastelt er selber. Er sucht sich ein Paar
ausgelatschte Schuhe – weiß der Himmel wo er sie hernimmt – und
schneidet die Fersenstücke heraus. Nur einen schmalen Rand lässt er stehen.
Dann trägt er diese Latschen, bis sie Löcher in den Sohlen haben. Früher mal,
da hatte der Alte auch ein Paar gute Schuhe für die Kirche. Aber in der Kirche
ist er zum letzten Mal gewesen, als seine Frau beerdigt wurde. Wenn der Alte
hinter Mirza her über die Wiese gerannt wäre, dann hätten sie wahrscheinlich
nicht nur seine Fußabdrücke gefunden, sondern auch seine Schlappen.«
    Keine Spuren außer Mirzas, überlegte sie. Wie konnte das möglich
sein? Fanni und ihre Nachbarn liefen doch ständig über die Klein-Wiese, wenn
sie ihre Milch holten.
    Und wann holen sie die Milch? Meist abends nach
dem Melken! Über Nacht richten sich die Grashalme halbwegs wieder auf.
Schlussfolgerung: An dem Morgen als Mirza starb, hatte außer ihr selbst noch
niemand die Wiese betreten.
    Fanni nickte vor sich hin, was ihr Hirn da produzierte, hatte Hand
und Fuß.
    Sprudel wirkte verunsichert. »Sie haben ja recht, Frau Rot«, sagte
er. »Das, was wir uns da im Kommissariat zurechtgeschneidert haben, hat seine
Schwächen; große Schwächen, wie mir jetzt erst richtig aufgeht. Andererseits
sind da diese Hautpartikel unter Mirzas Fingernägeln und die sind ein
unumstößlicher Beweis gegen den Alten. Das sagt jedenfalls mein junger Kollege,
und der hat Abitur, und am Schalthebel sitzt er auch, weil ich in zwei Wochen
in Pension gehe.«
    »Und deshalb, Sprudel, wollen Sie den alten Klein unschuldig
einbuchten?«, fragte Fanni.
    »Unschuldig!«, schnaubte Sprudel. »Wir haben Beweise !«
    »Ihren Lieblingsbeweis kann ich entkräften«, sagte Fanni.
    »Da bin ich aber gespannt«, antwortete Sprudel.
    Fanni zögerte zwei Sekunden lang. Was trieb sie bloß dazu, ständig
die Polizei belehren zu wollen? Dann gab sie sich einen Ruck. Wie schon
vergangene Woche, war sie auch diesmal zu weit vorgeprescht, um noch umkehren
zu

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