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Saure Milch (German Edition)

Saure Milch (German Edition)

Titel: Saure Milch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Mehler
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erschlagen.«
    »Für dich wäre es sowieso ziemlich schwierig gewesen, Mirza das
Keilbein zu zertrümmern«, sagte Sprudel. »Mirza war gut zehn Zentimeter größer
als du, mit ihren Stöckelschuhen eher fünfzehn. Laut Rechtsmedizin hat aber
eine Person den tödlichen Schlag ausgeführt, die mindestens so groß wie Mirza
war – oder auf der Grenzmauer stand. Du hättest also auf das Mäuerchen
klettern müssen, um ihr den Schädel einzuschlagen, und sie hätte geduldig und
in der richtigen Position abwarten müssen, bis du so weit gewesen wärst. Aber
selbst aus einem günstigen Winkel heraus wärst du womöglich nicht stark genug
gewesen, Mirza tödlich zu verletzen.«
    »Da irrst du dich, Sprudel«, widersprach Fanni vehement. »Ich habe
eine gute Kondition, und kräftig bin ich auch. Ich war früher viel in den
Bergen mit meinem Mann.«
    Als er noch keinen Schmerbauch hatte, fügte sie im Stillen hinzu und
sagte dann wieder laut: »Ich war es aber trotzdem nicht.«
    »Zum Glück«, schmunzelte Sprudel, »so ein rankes Stängelchen wie
dich könnte man nicht mal einsperren. Um auszubrechen, bräuchtest du dich nur
durch die Gitterstäbe zu zwängen, und weg wärst du.«
    Fanni lachte. »Möglich, ich habe es sogar einmal geschafft, durch
die gekippte Terrassentür ins Haus einzusteigen – ich hatte mich
ausgesperrt.«
    Sprudel sah sich die Tür an. »Fanni, du flunkerst, der Spalt ist
höchstens fünf Zentimeter breit, da kommst auch du nicht durch.«
    »Hier unten nicht«, gab Fanni zu, »aber hier, weiter oben. Ich bin
draußen auf den Tisch gestiegen und habe mich durch den Spalt gequetscht, der
gut fünfzehn Zentimeter hergibt, wenn man ein bisschen gegen die Tür drückt.
Als mein Kopf durch war, wusste ich, dass der Rest auch durchpasst. Drinnen
konnte ich mich auf der Lehne vom Sofa abstützen.«
    »Bleibt die Frage, ob wir dich von der Liste der Verdächtigen
streichen können oder nicht«, kam Sprudel wieder auf den Punkt.
    »Wir nehmen vorerst überhaupt keine Frauen in diese Liste auf«,
ordnete Fanni an.
    Sprudel zuckt mit keiner Wimper. »Mirza kam also, hübsch
zurechtgemacht, ganz gemütlich über die Wiese herunter«, sagte er. »Nehmen wir
an, sie wollte zu dir oder zu einem deiner Nachbarn. Kam das öfter vor?«
    »Nie«, sagte Fanni. »Die Leute hier gehen sowieso alle zwei, drei
Tage zum Hof, weil sie Milch holen oder Eier oder Kartoffeln, und die neuesten
Nachrichten nehmen sie dabei gleich mit. Mirza musste nicht extra über die
Wiese herunterlaufen und Bescheid geben, wenn frisches Gemüse aus dem Gäuboden
eingetroffen war – Kohl, Karotten und Salat baut Klein nicht selber an,
das wächst hier nicht so gut – oder wenn es Fleisch aus eigener
Schlachtung direkt vom Hof zu kaufen gab. Bene kam allerdings oft her, weil er
alles Mögliche repariert hat für die Leute aus Erlenweiler. Der ist aber immer
mit dem Traktor gefahren.«
    »Was also hat Mirza dazu veranlasst, hier so aufgeputzt
anzutanzen?«, rätselte Sprudel. »Kaffeeklatsch mit einer Nachbarin?«
    »Unwahrscheinlich«, sagte Fanni. »Mitten am Vormittag, so viel Zeit
hatte Mirza nicht, und mit Klatsch hatte sie es auch nicht. Außerdem hätte
keine der Nachbarinnen Mirza zu sich eingeladen. Mirza war nicht salonfähig.
Mirza war anrüchig.«
    »Was hat sie dann hier gemacht?«, stöhnte Sprudel.
    Plötzlich starrte er Fanni in die Augen. »Du hast doch schon eine
Theorie.«
    »Eine sehr gewagte«, gab Fanni zu.
    »Daran bin ich inzwischen gewöhnt«, sagte Sprudel.
    »Weil der alte Klein für mich nicht mehr in Frage kommt«, begann
Fanni, »nehme ich an, dass es einer meiner Nachbarn hier war. Die Möglichkeit,
dass ein Fremder des Weges kam, Mirza sah, bei sich dachte: Die bring ich kurz
mal um, einen Rundling aufhob und ihr damit den Schädel einschlug, schließe ich
aus.«
    Fanni schnaufte zweimal durch und dann fuhr sie fort. »Ich könnte
mir vorstellen, dass es sich so abgespielt hat: Einer der Nachbarn, frustriert
vom eintönigen Eheleben, hat sich die junge Mirza in den Kopf gesetzt, als
heimliches Gspusi, versteht sich. Er hat sich wegen Mirzas einschlägiger
Vergangenheit ganz gute Chancen ausgerechnet und hat sie unter einem Vorwand zu
sich ins Haus gelockt.«
    »Als seine Frau gerade beim Einkaufen war«, warf Sprudel ein.
    »So ähnlich«, sagte Fanni und setzte hinzu: »Der Vorwand muss
raffiniert gewesen sein, sonst wäre Mirza nicht gekommen.«
    »Dazu hast du doch bestimmt eine Idee«, ermunterte sie

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