Saure Milch (German Edition)
Urbild aller Päpste. Oder nimm
den Böckl …«
Sprudel ließ einen scharfen Luftschwall aus seiner Nase zischen und
unterbrach sie. »Fanni, was redest du denn da? Die Päpste und ihre Handlanger
haben mehr Leute – Frauen und Kinder inbegriffen – auf dem Gewissen
als sämtliche Erdbeben der letzten fünfhundert Jahre zusammen. In den
Hochsicherheitstrakten der Gefängnisse aller Welt sitzen Mörder, die bekommen
Tränen in die Augen, wenn sie einen bunten Schmetterling sehen, die
zerquetschen keine Spinne unter ihrer Schuhsohle und erst recht keine Ameise,
aber in die richtige Stimmung gebracht, würden sie ohne Zögern ein ganzes Dorf
samt Kind und Kegel ausrotten.«
Fanni schaute unsicher in ihre leere Kaffeetasse.
»Meiser«, sagte Sprudel, »ist das der mit dem Tablett und den
Gläsern, der seine Nase letzten Donnerstag in jedes Loch gesteckt hat und der
eine Menge Geschichten über den alten Klein zum Besten gegeben hat?«
Fanni nickte.
»Was, wenn das passende Wort herumschnüffeln heißt und nicht unterstützen ?«, fragte Sprudel.
»Ich halte es auch für ziemlich merkwürdig, was er da macht, der
Meiser«, sagte Fanni darauf, »aber so ist er, seit ich ihn kenne. Ich glaube,
er kann nicht anders. Vielleicht hat Meiser ein zwanghaftes Einmischungssyndrom
oder so was.«
»Schon möglich«, gab Sprudel zurück, »aber seit wann zählen
neurotische Erscheinungen zu den Entlastungsbeweisen? Haben wir noch mehr
derart unverdächtige Nachbarn?«
»Mit Meiser sind es acht«, sagte Fanni. »Es kommen nämlich nur die
in nächster Nähe in Frage. Wäre Mirza zu einem der anderen Häuser in
Erlenweiler unterwegs gewesen oder von dort gekommen, dann hätte sie den Weg an
der Hauptstraße entlang genommen und wäre nicht über die Wiese
heruntergelaufen.«
»Und wessen Grundstücke befinden sich in Reichweite der Wiese?«,
fragte Sprudel und fischte Stift und Notizbuch aus der Jackentasche.
»Zwei links von mir: Praml und Molk; zwei rechts von mir: Stuck und
Weber; drei auf der gegenüberliegenden Straßenseite: Böckl, Meiser, Kundler.«
»Acht Verdächtige«, wiederholte Sprudel. »Können wir einen oder gar
mehrere davon jetzt schon ausschließen? Anhand von Beweisen meine ich, nicht
aufgrund ihrer Reputation.«
»Molk«, sagte Fanni, »der wohnt die Woche über in München und kommt
mit seiner Frau nur an Feiertagen und am Wochenende hierher. Am letzten
Donnerstag, als Mirza gestorben ist, waren Molks bestimmt nicht da.«
Sprudel schrieb in sein Notizbuch.
»Rot«, zählte Fanni auf, »mein Mann kommt auch nicht in Betracht.
Ich weiß, dass er nicht zu Hause war, weil ich ja selbst hier gewesen bin.«
Sprudel nickte bestätigend.
»Weber«, sagte Fanni, »liegt seit zwei Wochen im Krankenhaus,
Bandscheibenvorfall.«
»Bleiben fünf«, resümierte Sprudel, weil Fanni nicht weitersprach.
»Die Kollegen und ich«, sagte er, »wir haben natürlich alle Nachbarn zu Mirzas
Tod befragt und bei dieser Gelegenheit auch die jeweiligen Alibis aufgenommen.
Überprüft haben wir sie bisher nicht. Ich sehe die Vernehmungsprotokolle gleich
heute noch durch.« Er stand auf. »Das weitere Vorgehen planen wir morgen.«
Fanni wurde rot. »Ich weiß nicht recht, die Nachbarn tratschen
schon.«
»Meine Güte«, sagte Sprudel, »tut mit leid.« Er zögerte einen Moment
und fragte dann: »Könnten wir uns woanders treffen?«
»Gerne«, sagte Fanni.
2.
»War der Kripoheini schon wieder bei dir?«, fragte Fannis
Mann, während er das Risi-Bisi-Fertiggericht in sich hineinschaufelte.
»Er hat mir gesagt«, log Fanni, »dass der Fall jetzt endgültig
abgeschlossen ist und dass der Tatort wieder freigegeben wird.«
»Dann hat er sein blödes Absperrband endlich mitgenommen?«, knurrte
Hans Rot.
»Das hat Meiser weggeräumt.«
»Der Meiser, stimmt ja, hat er mir doch gerade eben erzählt«, sagte
Fannis Mann. »Meiser wollte sich sowieso den Tatort noch mal ansehen.«
»Sucht er was Bestimmtes?«, fragte Fanni.
»Er will einfach der Polizei behilflich sein«, antwortete ihr Mann,
»aber das kapierst du ja nicht.«
Er nahm einen Schluck Bier und rülpste. »Meiser hat einen guten
Bekannten bei der Polizei, der hat ihm erzählt, dass nicht nur nach der
Tatwaffe gesucht wird, sondern auch nach einem Stück von Mirzas Schuh.«
»Stück vom Schuh?«, fragte Fanni dümmlich.
»Irgend so ein Plastikteil, Blüte oder so was, fehlt an einer von
Mirzas Sandalen. Meiser sagt, sein Freund von der Polizei hat ihn
Weitere Kostenlose Bücher