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Saure Milch (German Edition)

Saure Milch (German Edition)

Titel: Saure Milch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Mehler
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Zacher bei der Polizei aktenkundig ist. Wenn in
seiner Werkstatt gestohlene Autos umdekoriert werden, dann ist ja wohl auch
Thomas an diesen kriminellen Machenschaften beteiligt.
    Sie wandte sich abrupt den Gläsern auf dem Tisch zu, weil sie sich
nicht eingestehen wollte, dass sie mit Leni seit jeher mehr verband als mit
ihren anderen Kindern. Leo hatte nie viel Zuwendung gebraucht. Er funktionierte
von klein auf wie ein Computer: Input, Output, nächster Mausklick. Vera hatte
schon in der Wiege ihren eigenen Kopf, und darin schwirrten übermäßig viele
Hans-Rot-Gene herum. Leni dagegen war so … menschlich.
    Fanni stellte die Teller in die Spülmaschine und trug die Schüssel
mit dem restlichen Salat zum Kompost.
    Der Rasen bei den Johannisbeerstauden war zertrampelt. Zwei runde
Löcher bleckten aus dem Gras, dort, wo Meiser vor einer Woche die Holzpflöcke
in den Boden getrieben und an diesem Nachmittag wieder herausgezogen hatte.
    Fanni holte eine kleine Handschaufel.
    Sie hatte das erste Loch bereits zugescharrt und beugte sich mit
einer Schaufel voll Erde gerade über das zweite, als sie ganz unten einen
gelben Schimmer ausmachte.
    Fanni legte die Schaufel weg und suchte sich ein Stöckchen. Sie
stanzte vorsichtig einen Kreis um das gelbe Ding, stocherte tiefer und förderte
Mirzas Sandalenblüte, eingebettet in einen Erdklumpen zutage.
    Fanni musste lachen. Meiser hatte das gesuchte Beweisstück in den
Boden gerammt!
    Die Blüte auf der Schaufel balancierend strebte Fanni ihrer Haustür
zu.
    In der Küche ließ sie die Sandalenblüte samt Erdklumpen von der
Handschaufel auf eine Lage Frischhaltefolie gleiten und klappte die Enden der
Folie vorsichtig darüber. Sie wickelte das Päckchen in eine feste Plastiktüte
und verstaute es in ihrer Handtasche. Anschließend brachte Fanni die Schaufel
wieder nach draußen.
    Im Gras kniete Meiser.
    »Ah«, sagte er, »gerade wollte ich den Schaden beheben, den ich in
Ihrem Garten angerichtet habe, da sehe ich, dass Sie schneller waren.«
    Fanni vergaß zu antworten. Sie starrte fasziniert auf Meisers
Outfit. Er trug ein weißes Unterhemd von Schiesser (fein gerippt), hellblaue
Boxershorts und Badelatschen. Fanni kannte das, im Sommer trug Meiser oft
solche Sachen im Garten. Was Fanni die Sprache verschlug, das waren die
schwarzen Anzugsocken, die sich straff von Meisers Zehen bis zu Meisers Knie
spannten.
    Meiser löffelte ein Häufchen Erde aus einem mitgebrachten Eimer auf
das von Fanni eher notdürftig zugescharrte Loch, und dann zeigte er Fanni, was
Perfektion ist: Aus einem winzigen Tütchen nahm er eine Prise Grassamen,
verteilte die Körnchen auf dem Erdfleckchen und drückte sie fest.
    »So eine Tragödie, was soll man da sagen«, murmelte er, während er
auf die Grassamen drückte und klopfte. »Aber es hat ja so kommen müssen. Seit
Monaten sage ich schon zu meiner Frau: ›Er bringt die Mirza noch um, der Alte.‹
Und wissen Sie, warum, Frau Rot?«
    »Er konnte sie nicht leiden.«
    »Falsch«, sagte Meiser, »er wollte sie für sich. Ich bin nämlich
dazugekommen, ganz zufällig, wie er über sie hergefallen ist in der Scheune.
Den Minirock, den hatte Mirza schon an den Schultern. Sie hat wie wild
gestrampelt und geschrien. Da hab ich dem Alten eins übergezogen, mit dem
Besenstiel. Eine riesige Beule hat er gekriegt davon. Was glauben Sie, Frau
Rot, warum er seinen Hut neuerdings nicht mehr abnimmt?«
    Fanni hatte den Alten noch nie ohne seinen speckigen Filzhut
gesehen, und Fanni wohnte nun schon seit fast dreißig Jahren neben dem Hof. Sie
begann sich zu fragen, ob Meiser vielleicht auch ein zwanghafter Lügner war.
    Meiser machte sich bereits am zweiten Loch zu schaffen. »Ah, Sie
waren noch gar nicht fertig«, sagte er und kippte eiligst seinen Eimer darüber
aus.
    »Wir haben das gleich«, fügte er hinzu, weil Fanni auf ihre Uhr sah.
»Ich konnte nicht früher herüberkommen zu Ihnen, weil ich seit zwei Tagen damit
beschäftigt bin, eine zuverlässige Kraft aufzutreiben. Eine, die dem Bene sagt,
wo es langgeht. Das nützt doch dem Bene nichts, wenn der Praml mit der
Melkmaschine herumfuhrwerkt und mit dem Mähbalken. Davon versteht der Praml
nichts, und zwei linke Hände hat der auch.«
    Genau deswegen ist er wohl als Techniker bei den Vereinigten
Motorenwerken angestellt, dachte Fanni sarkastisch. Laut sagte sie zu Meiser,
noch bevor er ein geeignetes Plätzchen für die letzten beiden Grassamen
ausgewählt hatte: »Vielen Dank, Herr Meiser, und gute

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