Saure Milch (German Edition)
folgt
ihr. Er stellt sie am Grenzmäuerchen und erschlägt sie. Pramls Frau bügelt
gemütlich vor sich hin, beobachtet aber den letzten Akt, weil sich der direkt
vor ihrem Fenster abspielt. Sie beschließt, ihren Mann zu decken, denn es ist
auch ihr Schaden, wenn er ins Gefängnis geht.«
»Unwahrscheinlich«, sagte Fanni, »dass sich Praml an Mirza
herangemacht hat, während seine Frau im Haus war. Sie könnte allerdings auch
auswärts gewesen sein. Nehmen wir an, Herr Praml hat ihr, als sie zurückkam,
gleich gebeichtet, was passiert ist. Vielleicht hat er ihr Mirzas Tod als
Unfall verkauft. Wie auch immer, Frau Praml wollte ihrem Mann helfen und hat
die Bügelgeschichte erfunden – als Alibi.«
Sprudel nickte, dann grinste er. »Ihre Ansicht, Miss Marple?«
»Gestern, beim Kaffeeklatsch«, antwortete Fanni, »da hab ich
versucht, Frau Praml aufs Glatteis zu führen. Ich habe Mirzas Tod sehr bedauert
und gesagt, dass es mir wirklich leidtue um Benes Frau, weil sie so tüchtig war
und so hübsch und nie jemandem Schaden zugefügt hat. Die Antwort von Frau Praml
hat sich für mich aufrichtig und ungekünstelt angehört. ›Mirza war viel zu hübsch‹, hat Frau Praml gesagt. Mirza hat allen Männern
in Erlenweiler den Kopf verdreht. Alle haben ihr nachgegafft, alle, ohne
Ausnahme. Deshalb hat es auch so manchen Ehekrach gegeben am Erlenweiler Ring,
und die Frauen waren spinnefeind mit Mirza.«
Fanni verschwieg, dass Frau Praml hinzugefügt hatte: »Nur Sie nicht,
Frau Rot, obwohl Ihr Mann auch immer Stielaugen bekam, wenn er die Mirza
gesehen hat.«
»Frau Praml«, fuhr Fanni stattdessen fort, »hat gestern jedenfalls
nicht so getan, als hätte sie Mirzas Wirkung auf Männer nicht gekannt, und als
wolle sie mir einen Bären aufbinden.«
»Fazit«, sagte Sprudel, »auch Praml sitzt auf der Reservebank!«
Der Wanderpfad verengte sich. Rechts rückten die Felsen näher, links
schimmerte ein kleiner mattgrüner See. Sprudels rechter Fuß blieb plötzlich in der
Luft hängen und zog sich dann langsam wieder zum linken zurück. Fanni sah auf
die Erde. Ein Feuersalamander kreuzte den Weg. Reifengummischwarz mit großen
gelben Flecken am Rücken und am Schwanz kroch er auf dicken ebenso gefleckten
Beinchen bedächtig auf eine Felsspalte zu.
»Er sieht ganz genauso aus wie Lurchi«, schmunzelte Fanni.
»Lurchi?«, echote Sprudel.
»Als ich klein war«, klärte Fanni ihn auf, »gab es in den
Salamander-Schuhgeschäften für die Kinder immer ein Comic-Heftel nach dem
Einkauf. Vorne drauf war ein Feuersalamander abgebildet, ›Lurchis Abenteuer‹
nannten sich die Geschichten darin. Ich habe Lurchi heiß geliebt.«
Sie stiefelten eine Weile schweigend dahin, trafen einen weiteren
Feuersalamander und überholten eine Kröte. Auf einmal öffnete sich die
Schlucht, und der Weg durchschnitt eine sonnige Wiese. Kurz darauf tauchten sie
in ein Wäldchen ein. Es wurde kühl und dunkel. Fanni fröstelte.
»Wenn wir bloß mehr Spuren hätten«, sagte sie, »aus einer einzigen
menschlichen Zelle kann man heutzutage schon genügend DNA gewinnen, um sie sichtbar machen und zuordnen zu können. Und ihr habt bei Mirza
bloß die DNA vom alten Klein gefunden. Das gibt
es doch nicht, Sprudel.«
»Aha, Frau Fanni hat sich mit Biochemie beschäftigt«, lachte
Sprudel, wurde aber schnell ernst. »Natürlich«, sagte er, »müssen noch eine
Menge anderer Spuren auf Mirzas Kleidung und an ihrem Körper sein. Von ihrem
Mann beispielsweise, von den Hühnern vermutlich, vielleicht sogar von einer
Nachbarin, die am Morgen schon Eier geholt und dabei ein Haar auf Mirzas
Schulter hinterlassen hat. Aber es ist nicht nach mehr gesucht worden, weil die
entscheidenden Indizien schon gefunden waren.«
»Könntest du Mirzas Kleidung noch mal durchleuchten lassen?«, fragte
Fanni, und im selben Moment fiel ihr die Blüte von Mirzas Sandale ein, die sie
in dem Loch im Rasen gefunden hatte. Sie erzählte Sprudel davon. »Vielleicht
sind da Spuren vom Täter drauf«, meinte sie abschließend.
»Ohne triftigen Grund kann ich keine weitere DNS -Analyse
beantragen«, sagte Sprudel. »Aber möglicherweise«, fuhr er fort, »werden
offiziell wieder Ermittlungen aufgenommen.«
»Ist dem Staatsanwalt Justitia persönlich im Traum erschienen und
hat ihm den Marsch geblasen?«, grinste Fanni.
»Ganz im Gegenteil«, antwortete Sprudel, »Justitia hat dem alten
Klein eins übergebraten!«
»Ihr habt ihn gefoltert!«, unterstellte Fanni.
»Also wirklich,
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